2. Korinther 4, 16-18 Äußerlich am Ende, innerlich jeden Tag erneuert.

21.04.2024

Ich lese aus Paulus 2. Brief an die Korinther, Kapitel 4, 16-18.

16 Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert. 17 Was wir jetzt leiden müssen, dauert nicht lange. Es ist leicht zu ertragen und bringt uns eine unendliche, unvorstellbare Herrlichkeit. 18 Wie bauen nicht auf das Sichtbare, sondern auf das, was jetzt noch niemand sehen kann. Denn was wir jetzt sehen, besteht nur eine gewisse Zeit. Das Unsichtbare aber bleibt ewig bestehen. 

Liebe Gemeinde,

wie passt das zusammen? Die EKD, die Evangelische Kirche in Deutschland, sie sucht für jeden Sonntag einen passenden Predigttext aus. Aber wie passt das zusammen? Heute ist Sonntag Jubilate. Heute sollen wir jubeln. Jauchzen. Uns freuen. Gott von ganzem Herzen loben. Einerseits. Und im Predigttext geht es darum, dass unser äußerer Mensch verfällt, dass es Leid und Krisen im Leben gibt. Was gibt es dann da zu jubeln?

Wer alt wird merkt, dass sein Körper abbaut. Man sieht nicht mehr so gut, man hört nicht mehr so gut. Die Knochen tun einem weh. Krankheiten stellen sich ein. Arztbesuche nehmen zu. Man braucht immer mehr Medikamente, viele kommen irgendwann nicht mehr aus ihrer Wohnung heraus, sie können z.B. nicht mehr zu ihrer Gemeinde kommen, nicht mehr an Gottesdiensten teilnehmen, nach denen sie sich sehnen. Das ist doch alles nicht schön! Was gibt es denn da zu jubeln?

Und Paulus meint mit dem „äußeren Menschen“ nicht nur den Körper. Der äußere Mensch, das sind auch unsere Lebensumstände, unsere Kraft, unser Mut. Das eigene Leben, mein ganzes Leben ist mein äußerer Mensch. Wenn der äußere Mensch verfällt, kann der Körper gesund sein, aber die Seele wird krank. Hoffnungen zerbrechen. Ein geliebter Mensch wird schwer krank. Das ganze Leben ändert sich. im Beruf geht es nicht mehr. Plötzlich ist keine Kraft mehr da. Menschen brennen aus, bekommen Depressionen. Ehen geraten in eine Krise oder zerbrechen.

Alles das kann dazu führen, dass der „äußere Mensch“ vergeht, eingeht, zerfällt. Was mich einmal ausgemacht hat, das gibt es nicht mehr. Vielleicht bin ich erst 20 Jahre alt oder 30, aber ich habe den Mut verloren, keine Hoffnung mehr, glaube nicht mehr an die Liebe oder an das Leben. Und Paulus sagt: „Trotzdem werden wir nicht müde, denn unser innerer Mensch wird von Tag zu Tag erneuert!“  Paulus weiß, wovon er redet. Paulus redet nicht wie ein Blinder von der Farbe. Paulus kennt Leiden und sein äußerer Mensch verfällt immer wieder. Im 11. Kapitel in diesem Brief schreibt er von seinen Leiden:

Ich habe viel gearbeitet, ich bin oft gefangen gewesen, ich habe viele Schläge bekommen, ich bin oft in Todesnöten gewesen. Von den Juden habe ich fünfmal vierzig Geißelhiebe weniger einen erhalten; ich bin dreimal mit Stöcken geschlagen, einmal gesteinigt worden; dreimal habe ich Schiffbruch erlitten (…). Ich bin oft gereist, ich bin in Gefahr gewesen durch Flüsse, unter Räubern, in Gefahr unter Juden, in Gefahr unter Heiden, in Städten, in Wüsten, auf dem Meer, in Gefahr unter falschen Brüdern; (…)  Und außer all dem noch das, was täglich auf mich einstürmt, und die Sorge für alle Gemeinden. (2. Kor. 11,23- 28)

Der Körper des Paulus muss von vielen Narben überdeckt gewesen sein! Dazu kommen Sorgen, Enttäuschungen und Angriffe aus Korinth, aus der Gemeinde, an die er gerade schreibt: Er schreibt starke Briefe, aber er könne nicht gut reden, sagen sie. Er sei ohne Glanz, ohne Ausstrahlung. Einige zweifeln grundsätzlich an seiner Berufung. Sollte Gott diesen schwachen Mann wirklich berufen haben? Seine Krankheit, eine Schüttellähmung, vielleicht Parkinson, sie kommt noch obendrauf. Es ging gesundheitlich auf und ab. Ständig musste er sehen, wie weit sein Körper belastbar war.

Also: Als jemand der selbst am eigenen Körper und seinen Lebensumständen schwer zu tragen hat, als jemand, dessen äußeres Leben alles andere als heil ist, ist Paulus doch getröstet, fröhlich sogar.  Und er will andere trösten, die kurz davor sind, aufzugeben, deren Leben Brüche bekommen hat. Paulus meint zuerst sich selbst aber er schreibt: „Wir werden nicht müde, wenn auch unser äußerer Mensch verfällt wird doch unser innerer Mensch von Tag zu Tag erneuert.“

Gib dich nicht auf. Bleibe auf deinem Weg mit Jesus. Diene ihm weiter. Treu. Fröhlich. Du bist an deine Grenzen gekommen, aber Gott hat nur Menschen mit Grenzen. Andere hat er gar nicht. Vielleicht ist es sogar eine Voraussetzung, ihm verantwortlich zu dienen, dass du deine Grenzen kennst und dass du erlebst, dass Gott in dir stark ist, und nicht du selbst. Vielleicht ist es eine Voraussetzung, selbst schwach zu sein, um andere in ihrer Schwäche trösten und begleiten zu können.

Paulus ermutigt die zerstrittene Gemeinde in Korinth: „Ich bin froh und ihr sollt auch froh sein.“ „Ich habe Hoffnung, und ihr sollt auch Hoffnung haben!“ „Ich bleibe treu im Glauben und nutze meine Möglichkeiten, und ihr sollt auch treu im Glauben bleiben.“  „Ich werde nicht müde und ihr sollt auch nicht müde werden!“ „Ich jammere nicht über das, was ich nicht kann, ich vergehe nicht in Selbstmitleid, und ihr sollt auch nicht jammern über das, was ihr nicht habt.“

Was uns jetzt fehlt, was uns heute wehtut, das vergeht. Wir aber hängen unser Herz und unsere Hoffnung nicht an das, was man sehen kann. Unser Herz und unsere Freude hängen an dem, was Gott uns versprochen hat. Das sind starke, mutige herausfordernde Worte finde ich. Paulus hat allgemein eine interessante Einstellung zu Leiden.

Für Paulus gehören Leiden zur Gemeinschaft mit Christus dazu! Das ist uns eher fremd. Das wird selten gepredigt. Wer mit Christus lebt, der wird auch Leiden kennen lernen. Leiden, weil man Christus nachfolgt und anders lebt als „die Welt“. Leiden, weil es Opfer kostet, mit Jesus zu leben, weil unsere Liebe uns dann Opfer kostet. Leiden auch durch Anfechtungen, Angriffe auf unseren inneren Menschen. Der Teufel schläft nicht. Er will unser Leben schwer machen. Er will, dass das Äußere im Leben, was man sehen kann, uns das Wichtigste wird. Der Teufel bindet uns an unsere unerfüllten Wünsche. Er setzt uns Träume in den Kopf, wie das Leben auch sein könnte. Er will, dass wir uns ständig mit anderen vergleichen, die es besser haben, die gesund sind, reich und schön. Und dass wir traurig darüber werden  und was uns fehlt unsere ganzen Gedanken bestimmt.

Wenige Verse vor unserem Predigttext schreibt Paulus:
9 Ich werde verfolgt, aber Gott lässt mich nicht im Stich. Ich werde niedergeworfen, aber ich komme immer wieder hoch.10 Ich erleide fortwährend das Sterben, das Jesus durchlitten hat, an meinem eigenen Leib. Aber das geschieht, damit auch das Leben, zu dem Jesus auferweckt worden ist, an mir sichtbar wird. (2. Kor 4, 9-10)

Darum passt der Predigttext zum Sonntag Jubilate: Ich werde verfolgt, aber Gott lässt mich nie im Stich. – Halleluja. Ich werde niedergeworfen, aber Gott hilft mir auf, er stellt mich auf meine Füße. – Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen. Ich komme an meine Grenzen, aber er gibt mir frische Luft zum Atmen, er gibt mir seinen Geist, er lässt mich fest und froh weitergehen. – Wie groß ist unser Gott! Er ist würdig zu nehmen Dank und Lobpreis. Wir jubeln, wir loben Gott, wir sind dankbar, hier auf dieser Erde, als Menschen, die alles Frohe und Traurige, was zum Menschsein gehört, auch erleben. Wir haben unseren Halt nicht in dem, was man sieht, sondern in dem, was man nicht sieht. Unser innerer Mensch wird von Tag zu Tag erneuert.

Jesus ruft Menschen in die Nachfolge, dass sie leben, wofür er gelebt hat. Und er hat ihnen gesagt: „Wer mir folgen will, der nehme sein Kreuz auf sich!“ (Markus 8, 34) Wer Jesus folgen will, ihm glauben, ihm gehören, und denkt, dann würde er ein nach weltlichen Maßstäben besonders schönes Leben auf Erden haben, in dem alles gut geht, in dem alles Leid um ihn einen Bogen macht, der wird enttäuscht werden.

Auch wir dürfen das Gute im Leben suchen. Und wie oft beschenkt uns Gott mit dem, was wir suchen. Christen müssen das Kreuz in ihrem Leben nicht suchen. Das Kreuz, das sie zu tragen haben, wird sie finden, wenn es sein soll. Aber der Sinn und das Ziel ihres Lebens liegt nicht in dem Äußeren: Mein Haus, mein Boot, mein Pferd, mein Auto, mein Motorrad, meine Reisen, mein Körper,  meine Familie, … Alles das sind Gründe, sich zu freuen, dankbar zu sein, aber unsere Freude und unser Friede  sind davon nicht abhängig.

Der Jesuit Anthony de Mello hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Die Fesseln lösen“ (2005). In dem Buch schlägt er unter anderem eine Übung vor. Dabei soll man sich bewusst machen, was einen verletzt hat, traurig macht, besorgt. Und dann soll man seine Schmerzen und Nöte ansprechen, als wären sie Personen, und sagen, z.B.: „Ihr Schmerzen darüber, dass ich so enttäuscht wurde, ihr habt mir wirklich weh getan. Aber ihr seid nicht mein Leben! ich verabschiede mich jetzt von euch.“ Und so solle man es als Übung für alles Negative und Traurige machen, was einem einfällt.

Und ebenso solle man es dann, vielleicht einen Tag später, mit Abstand, für die schönen Dinge in Leben tun, für Menschen, die ich liebe, für Erfolge, Arbeiten, die ich gerne tue, und sagen z.B.:  „Du Gabe, dass ich so gut reden kann. Ich freue mich über dich. Ich danke Gott für dich und werde dich weiter nutzen. Aber du bist nicht mein Leben. Mein Leben, meine Freude und mein Friede, das ist Christus!“ So könne man es nach Anthony Mello üben, dass das, was von außen kommt, mich nicht bestimmt. Freude, Friede, Freiheit, sie seien in mir, und nicht in den äußeren Dingen, sagt Anthony Mello. Paulus sagt: „Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere Mensch von Tag zu Tag erneuert.“

Wer ist der „innere Mensch“?  Unsere Gefühle? Fühlen wir uns dann gut? Wenn wir Schmerzen haben, körperlich oder seelisch, wenn wir nicht mehr schlafen können, oder nur noch schlafen können, weil nichts anderes mehr geht, sollen wir dann gute Gefühle haben? Ich glaube, dass Gefühle dazu gehören. Dass man vielleicht Geborgenheit und Hoffnung fühlt. Aber der innere Mensch, das bin ich verbunden mit Christus. Der wird jeden Tag erneuert.  Man kann auch sagen: Der innere Mensch, das ist Christus in mir. Der Christus in Paulus, der neue Mensch, der vergeht nicht, der wird nicht alt, der zerbricht nicht. Über den Christus in ihm kann Paulus jeden Tag jubeln.

Gottes Geist erneuert den inneren Menschen von Tag zu Tag. Er führt immer wieder zum frischen Wasser. Sein Stecken und Stab trösten uns. Er deckt uns den Tisch im Angesicht unserer Feinde. Er schenkt uns voll ein.

Ich schließe ab mit diesem Teelöffel hier. Ich habe eine Geschichte gefunden:

„Eine Frau liegt im Sterben. Sie ruft den Pfarrer, um mit ihm die Beerdigung zu besprechen. Sie sagt ihm, wie der Ablauf sein soll und welche Lieder gesungen werden sollen. Dann sagt sie zu ihm etwas sehr Ungewöhnliches: „Achten sie bitte darauf, dass ich im Sarg einen Löffel in der Hand habe!“ „Warum denn das?“ entfährt es dem Pfarrer erstaunt. „Wissen sie“ sagte die Frau, „einer der schönsten Augenblicke meines Lebens war immer der, wenn es beim Essen hieß: Bitte behalten sie ihren Löffel. Denn da wusste ich, dass es noch Nachtisch gab. Ich bin eine leidenschaftliche Nachtisch-Esserin. „Ja und?“ meinte der Pfarrer.  „Sehen sie, dieser Löffel drückt für mich den Glauben aus, dass das Beste noch vor mir liegt, gerade weil ich nicht mehr lange zu leben habe. Ich bitte sie, darüber bei meiner Beerdigung zu predigen. Dieses Leben ist auch nicht schlecht, aber das Beste, das Allerbeste, das kommt noch.“ antwortete die Frau.

Im Leben und im Sterben sollten wir immer einen Teelöffel bei uns haben. An jedem Tag und besonders an schweren Tagen. Mein Wort dazu wäre: „Gib den Löffel nicht ab! Gott hat immer noch einen Nachtisch für dich!“ Hier auf Erden! Und in der Ewigkeit! Dafür danken und loben wir unseren Herrn.

Jubilate.

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