Römer 8, 18-25 Die Welt als alter Omnibus

05.11.2023

Römer 8, 18-25  Die Welt als alter Omnibus

Paulus schreibt:

18 Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.
19 Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden. 20 Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit – ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat –, doch auf Hoffnung; 21 denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes.22 Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt.
23 Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe haben, seufzen in uns selbst und sehnen uns nach der Kindschaft, der Erlösung unseres Leibes.

Liebe Gemeinde,

manchmal kommt mir unsere Welt wie ein alter klappriger Omnibus vor, bei dem man sich ängstlich fragt, wie weit uns diese alte Karre noch bringen wird. Da ist vieles im Argen in unserer Welt, wie auch bei diesem Bus. (Idee von Alexander Seidel, s.u.)

Das fängt schon mit der Steuerung an. Der Bus, also unsere Welt, ist schwer zu lenken und die merkwürdigsten Leute kommen ans Steuer. Machtmenschen, Ideologen nationalistische Regierungen halten sich für geeignet, die Führungsrolle zu übernehmen. Sie greifen ins Steuer und lenken den Bus auf gefährliche Abgründe zu. Wie lange soll das noch gutgehen?

Wenn ich den Motor denke: Was da alles hinten an Abgasen herausgeblasen wird. Unglaublich, was der Motor an Rohstoffen verpulvert. Keiner weiß, wie lange die Rohstoffe noch reichen. Irgendwann können wir gar nicht mehr nachtanken mit dem Bus der Erde.

Vom Innenraum ganz zu schweigen: Ein einziges Durcheinander! Jeder hätte gerne einen schönen Platz auf der Erde, aber die besten sind schon lange belegt und die werden immer aufwendiger herausgeputzt. Unterwegs schlürft man Prosecco auf diesen Erste-Klasse-Plätzen. Gleichzeitig hocken andere mit den einzigen Klamotten, die sie besitzen, auf dem dreckigen Boden  und die haben nicht einmal Wasser zum Trinken. Sie kämpfen um Wasser. Sie sitzen im selben Bus und kämpfen ums Überleben.

Und die Klimaanlage im Bus wird vom Internet gesteuert. Shitstorm, Fakenews, menschenverachtend. Bilder, die die Menschen manipulieren und polarisieren sollen. Die Luft im Bus wird verpestet mit Hass und Hetze.

Wir alle sitzen drin – aussteigen geht nicht.

Alles ächzt und stöhnt und ich weiß nicht, ob es die morschen Bauteile sind, der ganze Bus stöhnt und seufzt, oder ob es die Menschen sind, die ängstlich durch die Scheiben starren. Sie sind auch Teil des Busses. Ihnen geht es nicht anders.

Paulus schreibt, dass wir auf dem Weg zur Herrlichkeit sind. Aber der Weg dahin sei beschwerlich. Paulus‘ Botschaft ist nicht, dass wir Christen fein raus sind. Wir sind Teil der Schöpfung und Leiden gehören in diese Zeit. Paulus meint die Zeit von der Auferstehung bis zur Wiederkunft Christi. Wir können Leiden mindern, manches Leid, manche Wunden oder Krankheiten können wir heilen, es gibt durchaus auch gute Fortschritte, für die wir danken können, aber wir werden das Leid nie ausmerzen. Es wird kein Leben ohne Tränen, ohne Schmerzen und scheußliche Krankheiten geben.

Paulus stellt eine kühne These auf: Die Leiden dieser Zeit würden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der künftigen Herrlichkeit! Kann es eine Herrlichkeit geben, eine Freude und Freiheit, ein Jubel, angesichts dessen alles Leid nicht ins Gewicht fällt? Nimmt Paulus menschliches Leid nicht ernst? Will er es herunterspielen?

Paulus selbst hatte eine chronische Krankheit. Eine Art Schüttellähmung oder Parkinson.   Seine Reisen sind ihm schwergefallen. Er konnte seine Briefe mit eigener Hand nicht schreiben. Er hat Gefängnis und Folter kennengelernt. Und Paulus wird andere Menschen gekannt haben, die schlimmere Leiden als er hatten.

Leid gehört in diese Zeit. Selbst Menschen, die alles gut machen wollen, sind nicht nur gut. Selbst Menschen, die alles richtig machen wollen, machen Fehler. Selbst die Gesundesten, Fittesten unter ihnen werden einmal sterben. Paulus predigt keinen billigen Trost. Das Leben hier ist zuerst einmal zu leben. Mit allen Leiden, die es mit sich bringen kann. Zuerst müssen die Tränen geweint werden. Unrecht, Kriege, Trauer werden nicht aufhören, bevor Jesus wiederkommt.

Dennoch sollen wir uns dem entgegenstellen. Wir leben doch schon unter Gottes Herrschaft. Wir haben doch schon Gottes Geist als Angeld, als Anzahlung auf die Herrlichkeit erhalten. Wir sollen uns brauchen uns den Leiden dieser Welt nicht tatenlos ergeben. Mit allen, die sich für Gerechtigkeit, Frieden, Menschenwürde einsetzen, sollen wir uns dem Leid entgegenstellen. Aber noch seufzen, weinen Menschen und sie haben Angst und sie haben Anlass dazu. Und doch setzt Paulus dem Leid etwas entgegen. Nicht billig. Die Tränen müssen noch geweint werden.

Paulus schreibt von der Hoffnung mitten im Leid. Sechs Mal kommt das Wort Hoffnung in diesen Versen vor. Einmal wird es den Tod nicht mehr geben. Einmal werden alle Tränen abgewischt. Einmal werden wir erlöst werden zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes, wie Paulus es hier nennt.

Erstaunlich ist, dass Paulus die ganze Schöpfung mit in diese Hoffnung hineinnimmt. Sonst geht es doch bei uns immer nur um Gott und uns Menschen. Wir sollen gerettet werden. Paulus schreibt: Die ganze Schöpfung seufzt und ängstet sich. Die ganze Schöpfung ist mit hineingezogen in die Schuld der Menschen, in die Vergänglichkeit, in Leiden und Schmerzen. Und sie ist eingeschlossen in unsere Hoffnung! Sie sehnt sich auch nach der Erlösung. Und sie darf diese Hoffnung haben.

Gottes Schöpfungsauftrag an die Menschen auf den ersten Seiten der Bibel lautet, dass er sie bebauen und bewahren sollte. Bebauen haben wir geschafft. Zubauen. Überlasten. Ausbeuten. Alle Ressourcen an die Grenze bringen. Luft, Wasser und Land irreversibel zu verschmutzen. Tierarten ausrotten. Die Eisbären könnten die nächsten sein.

Die Kinder Gottes sollten der Schöpfung Gutes tun. Das wird ein Staunen geben in der Schöpfung, wenn die Kinder Gottes dazu geheilt, dazu befreit werden. Dann wird sie mit uns jubeln und die Bäume werden in die Hände klatschen.

Die Schöpfung lebt in einer riesigen Spannung. Sie ist dem Kreislauf des Werdens und Vergehens unterworfen, aber sie sehnt sich mit uns danach, dass Jesus wiederkommt, dass dann die Freiheit der Kinder Gottes offenbar wird. Jedes Blatt, habe ich in einer Predigt gelesen (Prof Dr Peter Wick, 14.11.2004, www.Theologie.uzh.ch) „Jedes Blatt das jetzt in seiner schwindenden Farbenpracht vom Baum fällt, sagt eben nicht nur, es ist Zeit für mich (zu gehen), sondern lässt von einer Zeit träumen, wo das Leben des Todes nicht mehr zyklisch bedarf.“

Unsere Erde ist wie ein alter rostiger klappriger Bus. Aber Paulus weiß: Einer liebt unsere alte Erde. Er hat sie geschaffen und will sie wieder herstellen. Paulus sitzt mittendrin, in diesem maroden Karren. Auch zu seiner Zeit war er nicht wirklich besser in Schuss. Es gab andere Probleme und andere Leiden. Paulus sitz mitten im Bus und fängt an, davon zu reden, dass es einmal nicht mehr klappern wird, nicht mehr rosten. Und dass jede und jeder in der Ersten Klasse sitzen wird.

Paulus weiß von einem, der aus unerfindlichen Gründen diesen Oldtimer ins Herz geschlossen hat. Er hat ihn gekauft! Er hat dafür gezahlt. Andere haben gesagt: Lass es! Das wird nix mehr. Schmeiß die Kiste auf den Schrott! Und die Typen da drin auch gleich mit! Sie sind auch nicht besser! Sie haben den Bus doch so heruntergewirtschaftet.

Aber wie das bei Liebhabern so ist: Die lassen sich nicht davon abbringen, koste es, was es wolle! In seinem Fall hat es ihm sogar sein Leben gekostet. Als Mensch ist er einmal in den Bus mit eingestiegen, um das Lenkrad herumzureißen. Das haben sie ihm übelgenommen und ihn rausgeschmissen! In voller Fahrt! Dann hing er, tot, an einem Kreuz, der Liebhaber.

Sie ahnten nicht, dass er nicht nur einer von ihnen war. Sie wussten nicht dass er stärker war, als der Tod, und dass er den Bus einmal runderneuern würde, und die Menschen darin auch, die ihn erkennen. Die Menschen im Bus haben ihn nicht erkannt.

Paulus sitzt mittendrin und er macht Hoffnung für den Bus und die Menschen darin. Es ist Gottes Bus sozusagen, in dem sie fahren. Hört nicht nur das Knarren und Quietschen des alten Karrens. Seht doch auch alles Schöne darin, freut euch daran und bewahrt es. Belastet den Bus nicht nur, bewahrt ihn. Diese Welt gehört einem Liebhaber. Er wird sie einmal zum Ziel bringen.

Paulus hört das Ächzen und Stöhnen des alten Busses. Ihn aber erinnert es an das Seufzen und Stöhnen einer Frau, die in den Wehen liegt. Die Schöpfung liegt in Wehen, sagt er. Wenn eine Frau in den Wehen liegt, hat sie Schmerzen. Es macht ihr keinen Spaß, es tut sehr weh, es kostet sie alle ihre Kraft, und doch wird sie wenig später sagen: Ich bin die glücklichste Frau auf der Welt und habe gerade das größte Wunder erlebt, das es gibt.

Auf die Welt kommt noch etwas zu! Ein Gott, der sie nicht aufgibt, der sie mit viel Liebe wieder zu dem machen wird, als was sie eigentlich gedacht war. Sie sollte Gottes Freude und Liebe widerspiegeln. Und siehe, alles wird gut sein.

Und wir? “Auch wir werden verwandelt werden” sagt Paulus. Auch wir werden erfahren, was dieser Bus erleben wird: Eine Erneuerung. So werden, wie wir eigentlich gedacht waren. Die Schöpfung und wir Glaubenden leben in einer Spannung. In der gespannten und angespannten Erwartung des Kommenden. Dass unser Liebhaber und der Liebhaber dieser Welt uns und seine Schöpfung wiederherstellen wird.

Wir warten darauf mit seinem Heiligen Geist! Was Gott einmal schenken wird, ist anteilig schon in uns. Wir sind wie dieser Bus klapprig, in vielem eingerostet, aber wir warten nicht untätig. Wir sagen den Menschen, die sich aufgeben wollen, dass sie unendlich wertvoll sind, dass sie einen Liebhaber haben, der alles für sie bezahlt hat. Und wir ehren und achten seine Schöpfung.

Wir hoffen das, was man noch nicht sieht, schreibt Paulus. Eine Hoffnung, die schon alles sehen würde, ist keine Hoffnung. Wir stehen, um ein anderes Bild zu gebrauchen, wir stehen an der Bushaltestelle und wir wissen: Der neue Bus wird kommen.

Dann wird auch unser Leib erlöst werden. Keine Schmerzen mehr, keine Sorgen, keine schlaflosen Nächte, keine Narben mehr am Körper und auch nicht an der Seele. Es wird ein ganz neuer Leib sein. Das können wir uns gar nicht vorstellen. Und siehe, alles wird gut, so wie Gott es sich gedacht hat. Wir werden fröhlich vor unserem Vater herumspringen. Dann werden wir den Satz von Paulus von Herzen nachsprechen:  „Ich bin überzeugt, ich bin gewiss, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.“

Amen.

 

Danke für die Predigt vom 11.11.2016 von Alexander Seidel unter www.pastors-home.de. Von dort habe ich die Idee und etliche Formulierungen den Bus betreffend übernommen. Weiter habe ich profitiert aus den Predigten von Prof Dr. Peter Wick vom 14.11.2004, www.theologie.uzh.ch/predigten sowie von Pfr. Dr. Martens vom 13.11. 2016 www.steglitz-lutherisch.de.

 

 

 

 

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