Epheser 3, 14-21

„Gott will unseren inneren Menschen stärken!“ Darum geht es heute.
Zuerst aber lese ich nur den ersten Satz des Predigttextes, Epheser 3, 14:

Deshalb knie ich vor Gott nieder und bete zu ihm.

Paulus betet auf Knien.

Er betet nicht das erste Mal im Epheserbrief. Hier schreibt er, wie er betet. Er betet auf Knien. Er kniet sich hin zum Beten. Evangelischen Christen ist das fremd geworden. Freievangelischen wie uns Baptisten vielleicht noch fremder. In der katholischen Kirche und mehr noch in orthodoxen Kirchen kennt man es noch, auf Knien zu beten. Bei uns gibt es das höchstens noch bei Segensgebeten nach einer Taufe oder bei einer Trauung. Ein besonderer Moment, eine besondere Bitte, eine besondere Segnung, für die man auf die Knie geht.

„Kennt ihr das persönlich auch, zum Beten auf die Knie zu gehen?“ habe ich im Bibelgespräch gefragt. Die meisten haben von Situationen erzählt, in denen sie auf Knien gebetet haben. Meistens in einer besonderen Not. Die Ernsthaftigkeit ihres Betens wollten sie damit ausdrücken.

Im letzten Studienjahr in Hamburg durfte ich ein Jahr als Gast der Gemeindeleitung in Hamburg Wandsbek sein. Ich erinnere mich an meine erste Leitungssitzung dort. Nach einem kurzen geistlichen Einstieg sagte der Leiter „Dann lasst uns beten“. Alle standen von ihren Stühlen auf. Okay, ich erhob mich auch. Dann knieten sich alle hin. Auf den Knien vor ihren Stühlen beteten sie für die Gemeinde. Für ihre Aufgaben als GL, für Anliegen der Gemeinde und für Menschen, die ihre Gebete brauchten. Das hat gedauert und es ging auf die Knie.

Viel später war ich als Prediger zu Gast in der Baptistengemeinde in Tübingen. Wieder das gleiche Spiel. Einige kamen vor dem Gottesdienst zum Beten zusammen. Und alle knieten sich hin und beteten. Das hat mich beeindruckt. Das ist ein Signal. Wir beugen unsere Knie vor dem, der unser Herr ist. Das sagen wir nicht nur oder singen wir, das tun wir dann.

Sich vor jemandem oder vor Gott hinzuknien, das ist ein Zeichen, dass man in allen Kulturen versteht.  Wer sich hinkniet verringert seine Größe. Er nimmt sich zurück. Er unterstellt sich dem, vor dem er kniet. Er zeigt Demut und gibt dem anderen die Ehre.

Letzten Endes kommt es beim Beten auf die innere Haltung an. Aber man kann auch eine innere Haltung gewinnen, indem man eine äußere Haltung einnimmt und sich hinkniet. Das haben wir im Gemeindeunterricht mal probiert. Verschiedene Gebetshaltungen eingenommen und gefragt „Wie fühlst du dich bei dieser oder jener Körperhaltung? Was drückst du aus? Wie stehst du vor Gott?“

Versucht das einmal.  Kniet euch mal hin beim Beten. Man lässt seine vielleicht legere, vielleicht oberflächliche, schnelle oder selbstsichere Haltung los und kommt innerlich anders bei Gott an.

Und vielleicht ändert es auch unsere Haltung zueinander, wenn wir ehrlich und demütig gemeinsam vor Gott auf die Knie gehen. Man redet anders miteinander, wenn man vor Gott kniet.

Paulus ist im Gefängnis in Rom als er seinen Brief schreibt. Er weiß nicht, was kommt, wie es für ihn weitergeht, aber auf die Knie geht er nur vor Gott, den er den Vater nennt! Nicht vor den Römern, nicht vor seinen Richtern, die ihn verurteilen. Ehre wem Ehre gebührt.

Das griechische Wort für Anbetung in der Bibel heißt „Proskynese“: auf die Knie fallen, sich niederwerfen. Anbetung heißt, vor Gott auf die Knie gehen. Demütig sein. Anerkennen, wie groß er und wie klein ich bin. Sich ihm übergeben. Ihn als Herrn anerkennen. Anbetung ohne Demut ist keine Anbetung.

Ich lese den Predigttext Epheser 3, 14-21 (Gute Nachricht)

14 Deshalb knie ich vor Gott nieder und bete zu ihm. Er ist der Vater, 15 der alle Wesen in der himmlischen und in der irdischen Welt beim Namen gerufen hat und am Leben erhält. 16 Ich bitte ihn, dass er euch aus dem Reichtum seiner Herrlichkeit beschenkt und euch durch seinen Geist innerlich stark macht. 17 Ich bitte ihn, dass Christus durch den Glauben in euch lebt und ihr fest in seiner Liebe wurzelt und auf sie gegründet seid.  18 Ich bitte ihn, dass ihr zusammen mit der ganzen Gemeinschaft der Glaubenden begreifen lernt, wie unermesslich reich euch Gott beschenkt. 19 Ihr sollt die Liebe erkennen, die Christus zu uns hat und die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr immer umfassender Anteil bekommen an der ganzen Fülle des Lebens mit Gott. 20 Gott kann unendlich viel mehr an uns tun, als wir jemals von ihm erbitten oder uns ausdenken können. So mächtig ist die Kraft, mit der er in uns wirkt. 21 Ihm gehört die Ehre in der Gemeinde und durch Jesus Christus in allen Generationen, für Zeit und Ewigkeit! Amen.

Gott hat allen Wesen Namen gegeben.  

Paulus lobt den Vater, der alle Wesen bei Namen gerufen hat. „Den Namen geben“ bedeutete im Alten Testament „erschaffen“ (Gen 1,1f.). Allem in der irdischen und himmlischen Welt hat Gott seinen Namen gegeben, rühmt Paulus. Und doch finde ich, einen Namen geben ist mehr als erschaffen. Wenn ich etwas einem Namen gebe, beginnt eine Beziehung.

Neulich sah ich einen Krimi. Der Kommissar hatte zwei Goldfische. „Wie heißen die?“ fragte eine Besucherin. „Die haben keinen Namen“, sagte der Kommissar. „Das geht doch nicht. Alles braucht einen Namen“ sagte seine Besucherin. Ohne Name sind es einfach zwei Fische. Irgendwelche Fische. Ohne Beziehung. Und sie schlug zwei Namen vor.

Ich weiß nicht, ob Gott für jeden Fisch einen Namen hat. Aber unsere Namen kennt er. Und mit unserem Namen kennt er uns ganz persönlich. Vielleicht ist Gott auch kein Fisch gleichgültig, er hat ihn ja geschaffen. Sicher aber ist ihm niemand von uns gleichgültig. Er hat sogar die Haare auf unserem Haupt gezählt. (Lukas 12,7) Gott kennt jedes Detail. Er weiß, wo wir wohnen, arbeiten, was uns bewegt, wie es uns geht. Wir sind keine Nummer, nicht irgendein Mann, eine Frau, ein Kind unter Millionen. Wenn Gott unseren Namen ruft, dann ruft er uns liebevoll und alles wissend. (Vgl. Adam und Eva im Garten Eden.)

Paulus will die Epheser nicht theoretisch erinnern, dass Gott alle Wesen geschaffen hat; er will sie erinnern: Gott hat jeden Einzelnen von euch bei Namen gerufen.

Paulus betet für die Stärkung des inneren Menschen.

Das ist sein Hauptanliegen. Das Ziel seines Betens. Dass der innere Mensch durch Christus stark wird, reif, belastbar, standfest, fröhlich. Dass der innere Mensch fest im Vertrauen zu Gott bleibt, dem Vater, und in der Liebe . Fest. Nicht von jedem Wind umgeworfen. Dass jeder und jede mit sich selbst klarkommt und mit seinen Mitmenschen. Dass er kein Getriebener ist, sondern im Frieden, frei, mit Gott leben kann. Dass er Versuchungen widerstehen kann. Dass wir fest in Christus sind, das will der Heilige Geist in uns wirken und darum bittet Paulus den Vater.

Innerlich fest im Glauben zu sein, das ist nicht alles, worin ein Christ wachsen soll, aber es ist die Voraussetzung für alles andere: Dass er neue Haltungen gewinnt, seinem Leben gegenüber, anderen Menschen gegenüber. Dass Christus in seinem Leben Gestalt gewinnt. Wer innerlich fest ist, der wird auch frei zu neuem Handeln. Und er wird demütig, sanftmütig, geduldig, wie Christus es ist! Gottes Liebe wird durch den Heiligen Geist in unser Herz ausgegossen, schreibt Paulus den Römern (Röm 5,5). Menschen, denen Gott diese innere Stärke schenkt, müssen Geduld, Demut, Sanftmut mit anderen nicht machen, nicht aus sich produzieren; sie ist in ihnen. Sie fließt über! Sie wurzeln in der Liebe, wie Paulus es hier formuliert. (Sie werden davon erfüllt und sie fließt über. Sie kommen in den Flow der Liebe.)

Wie schnell beten wir nur für das Äußere. Dass wir gesund sind, dass etwas gut gelingt, beruflich weiterkommen, Kinder gute Noten in der Schule haben. Für schönes Wetter und einen schönen Urlaub. Manche äußeren Dinge sind eine schwere Not! Gar keine Frage. Es gibt schlimmes Leid im Leben und schmerzhafte Fragen. Paulus war im Gefängnis. Das war eine große Not. Aber wie es dir geht in schweren Tagen, was dich trägt, was dich ausmacht, das entscheidet dein innerer Mensch.

Paulus schreibt den Korinthern in schweren Zeiten, an eine zerstrittene Gemeinde, unter Anfechtungen und selbst schwer erkrankt: „Darum werden wir nicht verzagt; nein, wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, so empfängt doch unser innerer Mensch Tag für Tag neue Kraft!“ (2. Kor 4,16) – Martin Luther hat übersetzt: „So wird doch unser innerer Mensch von Tag zu Tag erneuert!“

Gottes Geist soll den inneren Menschen berühren.  

An den inneren Menschen kommt man nicht leicht ran. Selbst an den eigenen inneren Menschen nicht. Manche Menschen sind immer schnell aufgeregt andere oft schnell beleidigt. Manche können andere nicht grüßen, gehen Menschen aus dem Weg, weil sie unsicher sind oder ein falsches Wort gefallen ist. Manche leiden unter Ängsten. Manche sehnen sich nach Liebe, nach Ankerkennung und man spürt es ihnen ab. Manche sind in schlechte Gewohnheiten gerutscht, vielleicht in eine Sucht. Selbstmitleid kann Macht über einen Menschen gewinnen.

Unser innerer Mensch kann aus schlechten Wurzen ernährt werden. Die meisten wären gerne frei davon, aber sie können den Schalter in sich nicht einfach umlegen. Sie kommen aus ihrer Haut nicht heraus. Wir brauchen es, dass Gottes Geist uns heilt! Uns am inneren Menschen wachsen lässt. Christus in uns stärker macht.

Auch Paulus betet darum, dass Gott uns diese Kraft schenkt. Paulus schreibt nicht „Reiß dich zusammen! Stell dich nicht so an! Bringe deinen inneren Menschen selbst auf den rechten Kurs!“ Wäre schön, wenn es so einfach ginge. Unser innerer Mensch ist sehr unbeweglich, festgeklopft, vieles über viele Jahre entwickelt. Der innere Mensch braucht Heilung. Das glaube ich. Unser aller innerer Mensch.  Niemand ist davon ausgenommen. Wir sind nicht heil aus uns selbst.

Die Liebe überragt alles

Ich lese noch einmal ab Vers 17 (neue Genfer Übersetzung):

17 Es ist mein Gebet, dass Christus aufgrund des Glaubens in euren Herzen wohnt und dass euer Leben in der Liebe verwurzelt und auf das Fundament der Liebe gegründet ist. 18 Das wird euch dazu befähigen, zusammen mit allen anderen, die zu Gottes heiligem Volk gehören, die Liebe Christi in allen ihren Dimensionen zu erfassen – in ihrer Breite, in ihrer Länge, in ihrer Höhe und in ihrer Tiefe. 19 Ja, ich bete darum, dass ihr seine Liebe versteht, die doch weit über alles Verstehen (über alle Erkenntnis) hinausreicht, und dass ihr auf diese Weise mehr und mehr mit der ganzen Fülle des Lebens erfüllt werdet, das bei Gott zu finden ist.

Wer geistlich wächst, in dem wächst Liebe. „Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht,“ schreibt Johannes in seinem Brief, „denn Gott ist die Liebe.“ (1. Joh 4, 7-12) „Die Liebe aber ist das Höchste“ schreibt Paulus als er den Korinthern und den Römern von den Gaben des Heiligen Geistes schreibt. (1. Kor. 13; Römer 13, 8-10)

Die Liebe ist höher als alle Erkenntnis

Den Glauben auch denken lernen, ist wichtig. Im Verstehen zu wachsen. Durch den Glauben denken zu lernen, ist wichtig. Unsere Lehre und unser Leben immer wieder von Christus her zu hinterfragen, ist wichtig. „Aber wer die Liebe nicht hat“, schreibt Paulus im Hohelied der Liebe (1. Kor 13), „der ist wie ein dröhnender Gong oder eine lärmende Pauke.“ Der baut nicht auf, der tut im Ohr weh, der klingt nicht mehr für andere oder mit anderen zusammen. Der verletzt. Der schadet. – Was würde Jesus sagen, wenn wir vor ihm stehen und du andere verletzt hast, und du dann sagt „Ich hatte aber recht!“ Wird er dir recht geben?

Der innere Mensch wächst in Gemeinschaft

„Ich bitte ihn,“ betet Paulus, „dass ihr zusammen mit der ganzen Gemeinschaft der Glaubenden begreifen lernt, wie unermesslich reich euch Gott beschenkt.“ Um im Verstehen zu wachsen, um innerlich zu wachsen, um in der Liebe leben zu lernen, brauchen wir Gemeinschaft. Dazu gehört es, meine ich, dass man zum Gottesdienst geht. Dazu gehört es auch, dass man über den Tellerrand schaut, mit Christen, die anders geprägt sind, im Gespräch ist und in der Liebe bleibt.

Und darüber hinaus meine ich braucht es andere Christen, mit denen ich mein Leben, meinen Glauben, meine Fragen, meine Leiden und Sehnsüchte teile. Ich z.B. freue mich auf jedes Bibelgespräch mittwochs. Andere freuen sich auf ihren Hauskreis oder einen Gebetskreis. Die ganze Fülle dessen, was Gott uns schenken will, begreifen wir mit anderen Christen zusammen.

Wer sind deine Menschen, mit denen du dein Leben und deinen Glauben teilst und betest? Wo erlebst du, dass andere dich kennen und lieben und für dich beten? Ich habe eine Predigt der Pfarrerin der Thomaskirche in Leipzig gelesen. Britta Taddiken schreibt darin: „Das ist das Wunderbare an Gemeinde: Einer oder eine betet immer für mich mit, wenn mein inwendiger Mensch gerade geschwächt ist.“ – Was ist das für eine Gemeinschaft, in der jede und jeder weiß, der innerlich angeschlagen ist: „Einer oder eine betet immer für mich mit!“ (Vielleicht auf den Knien wie Paulus!)

„Gott kann unendlich viel mehr an uns tun, als wir jemals von ihm erbitten oder uns ausdenken können. So mächtig ist die Kraft, mit der er in uns wirkt.“ (Vers 20):

Gott will uns umtopfen

Manchmal stehen Pflanzen am falschen Platz. Keine Sonne, zu viel Sonne, kein guter Boden. Sie wurzeln in schlechtem Boden. Wenn man sie umpflanzt mit ihren Wurzeln, sucht man den richtigen Platz aus, häuft viel gute Erde um die Pflanze herum und gießt sie.  Jetzt blüht sie auf. Zeigt ihre frische Farbe. Wächst und bringt neue Frucht. Gott kann das auch. Aber wir müssen das auch wollen, unsere Wurzeln in den guten Boden wachsen lassen. Christus immer mehr erkennen, in der Bibel lesen, Beten und unseren Glauben in der Gemeinschaft leben.

Amen

Zusatz:

Nach Cornelia Trick predigten-online.de
Die Höhe, Tiefe, Breite und Länge der Liebe Gottes entdecken. (V 18)

  • Die Höhe der Liebe Gottes ist die Begeisterung.
  • Die Tiefe der Liebe Gottes erfahren wir in Krisenzeiten. Jesus sieht deine Not. Er fühlt sie mit. Er ist bei dir und lässt dich nicht hängen. Vertraue ihm.
  • Die Breite der Liebe Gottes zeigt mir, dass seine Liebe nicht nur mir und einem eingegrenzten Personenkreis gilt, sondern weiterreicht. Sie dringt auch zu den Menschen, mit denen ich im Alltag zu tun habe.
  • Die Länge der Liebe Gottes erstreckt sich über ein ganzes Menschenleben. Ich werde durch wunderbare und durch dürre Zeiten getragen. Ich darf mich fallen lassen und erlebe, wie mir wieder aufgeholfen wird.
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