In Freiheit leben

Ich lese zur Predigt einen sehr engagierten Text von Paulus. Da geht es um die Beschneidung und um das Gesetz. Wir feiern heute die Taufe und das Evangelium. Das Evangelium macht frei vom Gesetz. Darum kämpft Paulus. Ich lese aus seinem Brief an die Galater Kapitel 5 die Verse 1-6:

“Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen! Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, dann wird euch Christus nichts nützen. Ich bezeuge noch einmal jedem, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und ihr seid aus der Gnade gefallen. Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die man hoffen muss. Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.”

  1. Paulus kämpft um die Freiheit vom Gesetz

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“ Paulus kämpft um die Freiheit. Vordergründig ging es vielleicht besonders um Kleidungsvorschriften, Speisegebote, jüdische Reinigungsriten, darum, ob und wie man bestimmte Festtage zu feiern hat. Auch welchen Kontakt Judenchristen mit Heidenchristen haben.

Christen, die aus dem Judentum kamen, waren es gewohnt, dass es für alles Gebote gab. Zum Teil aus der Thora, aus den fünf Büchern Mose, zum Teil aus der mündlichen Tradition. Müssen sich Christen, die aus dem Heidentum kamen, auch daran halten?

Auch große wichtige Kennzeichen des jüdischen Glaubens standen auf dem Spiel. Ob und wie man den Sabbat hält. Im Judentum gibt es viele Einzelgebote dazu, das Neue Testament nimmt dieses große Gebot, immerhin eines der zehn Gebote, überhaupt nicht auf. Jesus hatte eine sehr eigene Stellung dazu. Der Sabbat sei um des Menschen willen gemacht, hat Jesus gelehrt und hat es vorgelebt! Es geht darum, dass die Gebote den Menschen dienen, ihnen Leben helfen. Dazu sind sie da. Nicht um Menschen zu schaden.

Das Gesetz ist Israel gegeben, ausdrücklich nicht den Nachbarvölkern. Es ist ein Bundesgesetz Gottes mit Israel. Müssen die Heiden, die jetzt zum Glauben gekommen sind, es auch halten? „Christus hat uns zur Freiheit befreit!“ Das ist die Freiheit, die Gewissheit, das Vertrauen darauf, aus Gnade allein zu Gott zu kommen, nicht über das Gesetz, nicht indem man die über 600 Einzelgebote im Judentum hält.

  1. Die Freiheit vom Gesetz ist die Freiheit zu lieben.

Wir feiern heute zwei Taufen und wir feiern den Reformationstag. Christen feiern die Reformation, die in Deutschland besonders Martin Luther angestoßen hat. In einer seiner Hauptschriften „Die Freiheit eines Christenmenschen“, erschienen 1520, schreibt Luther:

Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan.
Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.

Ein Christ ist ein freier Herr, weil Christus sein Herr ist. Ein Christ muss sich gar nichts und niemandem unterordnen. Ein Christ aber ordnet sich allen unter, wir selber zum Knecht für andere, weil Christus sein Herr ist. Paulus hat es ähnlich ausgedrückt: „Ich bin frei in allen Dingen und habe mich zu jedermanns Knecht gemacht!“ (1. Kor 9, 19)

Christus befreit vom Gesetz und er befreit zur Liebe. Die Liebe hebt das Gesetz nicht auf. Sie richtet die Gebote aus. Sie zeigt, worauf es ankommt. „Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst!“ hat Jesus gelehrt. „Darin ist das ganze Gesetz und die Propheten erfüllt!“ (Matth 12, 28ff) Menschen zu lieben fordert mehr als Gebote fordern können. Jesus zitiert in der Bergpredigt Gebote aus dem Alten Testament und er zeigt auf, wie die Liebe diese Gebote verschärft (Matth 5):

Den Alten ist gesagt, du sollst nicht töten, ich aber sage dir, schon wenn du jemanden einen Idioten beschimpfst, hast du gegen dieses Gebot verstoßen! Das Gebot will nicht nur, dass der andere nicht stirbt. Die Liebe will mehr. Sie ihn bewahren, dass du oder andere auch nur seine Ehre beschädigen!

Den Alten ist gesagt, du sollst nicht ehebrechen. Die Liebe aber sagt: Flirte nicht mit anderen Frauen, sieh dich nichts ständig nach anderen Frauen um, begehre nicht eine andere Frau zu haben, denn schon damit verletzt du deine Frau.

Das Evangelium, der neue Bund Gottes, hat keine geringere Anforderung als der alte Bund. Aber er hat eine andere Forderung:     Liebe zu üben. Den Menschen zu sehen.  „In Christus gilt der Glaube, der in der Liebe tätig ist!“ schreibt Paulus den Christen in Galatien (V6)

  1. Die Freiheit des Evangeliums wird angefochten

Die Freiheit hat zwei Feinde: Die Willkür und die Gesetzlichkeit. Die Willkür sagt „Ich bin gerettet aus Gnade, dann ist ja alles egal!“ Die Willkür lässt sich treiben von eigenen Bedürfnissen, von den Werten und Zielen, die unsere Gesellschaft uns anbietet. Christen werden dann stolz zu Herren ihrer selbst. Sie setzten sich auf den Thron. Sie wollen wie Gott sein. Wie Adam und Eva und Paradies.

„Ich bin der Herr und niemandem untertan!“ Das ist ihre Lebensweise. Der zweite Satz Luthers, „Ich bin durch die Liebe Knecht und untertan allen anderen,  ich diene anderen, weil ich Christus zum Herrn habe“, der spielt in ihrem Leben keine Rolle. Die Willkür macht Christen zu Endverbrauchern der Liebe Gottes. Ihre Liebe ist erkaltet. Jesus nachzufolgen ist kein Thema mehr. Leiden im Leben zu vermeiden, das ist ihr Lebensziel. Und auch das Leid andere nicht an sich heran zu lassen. Paulus sagt: „In Christus gilt der Glaube, der in der Liebe tätig ist!“

Willkür ist die eine Gefährdung der Freiheit. Gesetzlichkeit ist die andere Gefährdung der Freiheit. Damals in Galatien und bis heute. Immer wieder wollen Menschen mit Geboten festlegen, wie Christen zu sein haben.

Klatschen im Gottesdienst? Das geht gar nicht! Eine Kappe im Gottesdienst tragen? Unmöglich! Abendmahl im T-Shirt austeilen? Oder stellt euch eine Moderatorin vor mit Netzstrümpfen! Das geht gar nicht! E-Gitarre und Schlagzeug im Gottesdienst, das geht gar nicht! Sich nicht taufen lassen? Das geht gar nicht! Solche Menschen können nicht zu uns gehören. Die können nicht ernsthaft Christen sein!

Das sind Beispiele, die der Vergangenheit angehören! Gott sei Dank! Aber die Gefahr der Gesetzlichkeit bleibt. Die Befolgung bestimmter Gebote als Unterscheidungsmerkmal für den rechten und falschen Glauben aufzubauen. Sich abzugrenzen von Christen, die etwas anderes denken und anders leben, die aber Christus gehören und mit ihm leben. “Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ (V1)

Gesetzliche Christen reden genauso viel von Gott und von der Bibel  wie freie Christen. Gesetzliche Christen reden oft lauter von Gott und von der Bibel. Fordernd. Mit missionarischem Eifer. Es ärgert sie, dass andere den Glauben scheinbar nicht so ernst nehmen. Das machen sie fest an bestimmten Verhaltensweisen, an Erkenntnissen, Lebensweisen, die sie für zentral für den Glauben halten. Das führt dazu, dass sie innerlich auf Distanz gehen. Sie grenzen sich ab. Sie brauchen Sicherheit. Sie suchen ihre Heilsgewissheit in ihrem Tun. Nicht unbedingt, dass sie mehr spenden, sie sie in Armut leben, dass sie voller Barmherzigkeit sind, geduldig und demütig andere tragen.

„Seid barmherzig wie euer Vater im Himmel barmherzig ist.“ (Luk 6,36).  Das ist die Jahreslosung für dieses Jahr. Nicht die Liebe, sondern das Einhalten bestimmter Gebote oder auch nur Äußerlichkeiten ist das Unterscheidungsmerkmal für gesetzliche Christen. Gesetzliche Christen fühlen sich durch ihr eigenes Tun anderen überlegen und sie fühlen sich Christus näher als andere. Nicht die Gnade, sondern ihr Tun setzt sie in seine Nähe. Sie sind selbst-gerecht und nicht mehr aus Gnade gerecht.

Willkür, Lasse fair, ganz in der Welt leben, das ist die eine Feind der Freiheit. Gesetzlichkeit ist der andere Feind der Freiheit.

  1. Wer sich beschneiden lässt, verliert Christus!

Das ist nicht mehr unser Thema heute. Auch dazu sage ich „Gott sei Dank“.  Aber auch die Beschneidung fordert das Alten Testament. Ich habe keinen Christen kennengelernt, der fordert, dass wir dieses Gebot noch halten müssen.

Für die Juden damals aber war es das Unterscheidungsmerkmal von den Völkern. Nur Männer, die sich beschneiden lassen, gehören zum Volk Gottes! Wenn also die Heiden dazu gehören wollen, müssen sie sich beschneiden lassen. Die gesetzlichen Christen damals haben Gottes Wort auf ihrer Seite!  Keine Frage.  Warum soll man nicht auf Nummer sicher gehen? Gnade okay. Taufe okay. Aber reicht das wirklich?

Paulus steht unter Dampf. Paulus sieht das ganze Evangelium gefährdet.

„Wenn ihr euch beschneiden lasst, dann wird euch Christus nichts nützen. Ich bezeuge noch einmal jedem, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und ihr seid aus der Gnade gefallen.“

Wer sich beschneiden lässt, der kauft das ganze Paket! Der muss auch das ganze Gesetz halten. Der geht wieder den Weg über die Gebote. Der hat den neuen Bund Gottes, den er uns mit Christus geschenkt hat, nicht verstanden. Es geht Paulus nicht um ein Stück Vorhaut. Es geht ihm um das System. Um die Denkweise. Gnade und Bescheidung. Christus und das Gesetz. Freiheit und tausend Einzelgebote. Das geht nicht zusammen. Dann musst du auch den Sabbat wieder halten wie es die Juden tun. Und die Speisevorschriften, Reinigungs- und Kleiderordnungen. Wer sich beschneiden lässt, der kauft das ganze Paket! Und er verliert Christus. Er verliert die Gnade!

Es gibt eine christliche Gemeinschaft, da müssen Christen vor ihrer Taufe absagen, versprechen, dass sie nicht rauchen, keinen Alkohol trinken und kein Schweinefleisch essen. Ich bin nicht sicher, ob die Taufe da heute noch so gehandhabt wird, darum möchte ich diese Glaubensgeschwister nicht beim Namen nennen. Aber ich bin sicher, da würde Paulus genauso auf die Barrikaden gehen. Gott ist gnädig, sagen sie, er hat seinen Sohn geschenkt, sagen sie, aber da gibt es ein paar Gebote, wenn du die nicht hältst, verlierst du Christus und kannst nicht zu uns gehören!

Gibt es das bei uns auch? Machen wir unsere Liebe und Gottes Liebe und Gnade von Mindestanforderungen abhängig? Sagen wir Menschen auch: „Gott ist dir gnädig, aber wenn du dieses Gebot nicht befolgst, wenn du in diesem Punkt anders denkst, dann verliest du uns und du verlierst Christus!“ Wenn das so ist, dann müssen wir aufpassen, dass wir Christus nicht verlieren.

  1. Wer sich taufen lässt, kauft das ganze Paket

Wer sich beschneiden lässt, kauft das ganze Gesetz mit. Wer sich taufen lässt kauft auch das ganze Paket mit, aber es ist das Evangelium, es ist die Freiheit, die Freude und die Gewissheit, Gottes Kind zu sein aus Gnade. Die Taufe ist das Zeichen des neuen Bundes Gottes. Sie ist ganz zuerst und vor allem eine Zusage.

Die Taufe sagt nicht „du musst“, sondern „du bist“. Du bist geliebt, bedingungslos, als Sünderin und Sünder. Gott schenkt seine Ewigkeit, seine Liebe, sein Heil in dein Leben. Du gehörst jetzt zu Gottes Volk. Nicht weil du irgendetwas Gutes oder Richtiges getan hast, sondern weil Gott das Größte für dich getan hat!

Die oder der Getaufte ist nicht gesetzlos. Sie oder er stellt sich unter die Herrschaft Gottes. Sich immer von Gott lieben lassen und in dieser Liebe anderen gegenüber zu leben, das ist sein Gebot. So ist die Taufe Geschenk und auch Verpflichtung. Freie Christen tun alles für Gott und für Menschen, weil sie Christus gehören, nicht damit sie Christus gehören.

Zwei Menschen haben am letzten Sonntag hier im Gottesdienst von ihrem Glauben erzählt. Wie sie Jesus kennengelernt haben, was er ihnen bedeutet, dass sie seine Liebe und Gnade brauchen und ihm gehören wollen. Ich freue mich, dass wir euch beide jetzt taufen werden. Es ist alles Gnade!

Amen

 

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