Große Ernte – wenige Mitarbeiter

Matth 9,35 – 10,8    Große Ernte – wenig Arbeiter

Liebe Gemeinde,

es werden dringend Erntehelfer gesucht. Die Coronakrise hat die Landwirtschaft hart getroffen. 2020 standen tausende Betriebe vor Existenzproblemen. Es gab keine Erntehelfer für die Obst- und Gemüseernte. Die Früchte waren reif aber die Arbeiter*innen fehlten. Sie durften nicht einreisen. Sollte die ganze Ernte verloren gehen? Nach einem dringenden Aufruf haben sich Tausende in Deutschland gemeldet. Arbeitssuchende, die ihre Jobs durch die Krise verloren haben, aber auch Menschen, die einfach nur helfen wollten. Viele Betriebe und Helfer haben sich auf der Plattform „Erntehelfer-gesucht.de“ gefunden.

Erntehelfer werden gesucht. Auch in diesem Jahr. Bei der Getreideernte, Pilzzucht, Obstplantagen, Spargelanbau u.a. Eine Anzeige wirbt mit einem Stundenlohn von 15-25 EUR. Die Aufgaben sind vielfältig. Feldarbeit, Be- und Entladen von LKWs, Fahrerdienste bei der Auslieferung, Warenkontrolle, Montage. „Alle Gewerke“ werden gebraucht, heißt es in einer Anzeige. Arbeiten in Schichten und an Wochenenden. „Du bist selbstständiges Arbeiten nach Einarbeitung gewohnt und hast Lust auf diese Herausforderung? Melde dich bei uns!“

Jesus sieht auch eine große Ernte und er will bei seinen Jüngern Erntestimmung erzeugen. Jetzt ist die Zeit der Ernte. Jetzt sind die Früchte reif.   Sie fallen vom Baum,  sie verrotten,  sie gehen verloren, wenn sie jetzt nicht geerntet werden! Ich lese uns den heutigen Predigttext Matthäus 9, 35 – 10,7:

35 Jesus ging ringsum in alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium von dem Reich und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen. 36 Und als er das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben. 37 Da sprach er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter. 38 Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.
10,1 Und er rief seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen Macht über die unreinen Geister, dass sie die austrieben und heilten alle Krankheiten und alle Gebrechen.
2 Die Namen aber der zwölf Apostel sind diese: zuerst Simon, genannt Petrus, und Andreas, sein Bruder; Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und Johannes, sein Bruder; 3 Philippus und Bartholomäus; Thomas und Matthäus, der Zöllner; Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus; 4 Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn verriet.
5 Diese Zwölf sandte Jesus aus, gebot ihnen und sprach: Geht nicht den Weg zu den Heiden und zieht in keine Stadt der Samariter, 6 sondern geht hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel.
7 Geht aber und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.  8 Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus. Umsonst habt ihr’s empfangen, umsonst gebt es auch. 

Jesus will Erntestimmung erzeugen.

Erntezeit ist eine frohe Zeit. Da wird geerntet, was gewachsen ist, was Gott hat wachsen lassen. Schöne Äpfel, herrliche Trauben, dicke Kartoffeln. Erntezeit ist Hochsaison. Da braucht man alle Kräfte, da steht man früh auf, das muss alles Hand in Hand gehen, da werden alle Gewerke gebraucht. Und die Ernte kann man nicht aufschieben. Die Früchte, die jetzt reif sind, müssen auch jetzt eingeholt werden. Alle sollen dankbar und fleißig ans Werk gehen:
Gott hat wieder etwas wachsen lassen! Erntezeit ist letzte Zeit, höchste Zeit. Die Ernte ist in der Bibel auch ein Bild für das letzte Gericht. Erntezeit ist Entscheidungszeit. Warum will Jesus bei seinen Jüngern Erntestimmung sehen?

Das Volk jammert ihn.

Jesus geht umher in allen Städten und Dörfern. Nichts lässt er aus. Niemanden lässt er aus. Alle will er erreichen. Er lehrt in den Synagogen. Er stellt sich den theologischen Fragen. Er sucht das Gespräch mit denen, die Gott denken wollen. Er predigt das Evangelium auf den Straßen, die gute Nachricht, dass Menschen Kinder Gottes werden! Er ruft das Reich Gottes aus. Er sagt den Menschen Bescheid, wie heilig Gott ist und wie gnädig er ist. Jesus hilft wo man ihn bittet. Er heilt Menschen. Er heilt alle möglichen Arten von Krankheiten und von Belastungen. Nichts ist ihm unmöglich! Niemand geht ohne Frieden, der sich an ihn wendet.

Jesus geht umher in allen Städten und Dörfern und sieht die Menschen. Er sieht tiefer: Da ist niemand ohne Brüche. Am Körper,  an der Seele,  in ihrer Biographie. So viel Leid,  so viel Blindheit, so viele Fragen. Sie sind wie Schafe, die keinen Hirten haben. Sie fressen das Gras, das sie am Leben hält. Immer auf der Suche nach der nächsten Weide, nach dem nächsten Wasser, aber ohne Orientierung, ohne Halt und Ziel.

Das Volk ist wie eine Schafherde, in der jedes Schaf humpelt. Sie haben keinen Hirten, der auf sich achtet, der sie hütet. Keinen, der sie recht richtet,  der sie führt und regiert. Und es dreht Jesus den Magen um. Es tut ihm körperlich weh. Es treibt ihm Tränen in die Augen. Es schnürt ihm die Kehle ab. Er liebt diese Menschen so sehr. Er sieht ihre Leiden jetzt. Und er sieht ihre Verlorenheit, wenn der Tag der Ernte kommt.

„Es jammert ihn“ hat Martin Luther übersetzt. Das griechische Wort, das Matthäus hier benutzt hat, heißt wörtlich, dass es ihm durch die Eingeweide ging, dass es ihm die Eingeweide verdreht hat. Jesus leidet. Jesus weint. Jesus liebt. Darum will er seine Jünger in Erntestimmung versetzen. Steht früh auf. Geht spät schlafen. Geht auf die Knie um am Boden zu ernten. Geht auf die Leitern und auf die Bäume, um die Früchte dort zu pflücken. – Jede und jeder wird jetzt gebraucht. www.ernehelfer-gesucht.JC.

Betet, dass der Herr Arbeiter sendet

Ärmel hoch und rein in die Kartoffeln. Schmeiß den Traktor an. Los geht’s. Jeder hole seinen Eimer: Jetzt wird geerntet! Das wäre zu erwarten! Aber das erste was Jesus jetzt fordert ist: Betet! Jesus senden seine Jünger auch aus. Sie werden auch selber losgehen. Aber sie werden es nicht alleine schaffen. Die Zwölf sollen jetzt ein  Praktikum machen.  Sie sollen schon anfangen. Aber Jesus sieht eine sehr große Ernte.   Bis an der Welt Ende. Ein Jahr, noch ein Jahr, alle Jahre wieder.  Die Zwölf sollen beten, dass Gott viele weitere Arbeiter hinzuruft.

Am Ende des Matthäusevangeliums wird der Auferstandene seinen Jüngern sagen: „Geht hin in alle Welt und macht zu Jüngern alle Völker!“ Die Jünger sollen wieder Jünger machen. Die Erntehelfer sollen neue Erntehelfer „machen.“ Sie sollen dafür sorgen, dass es immer mehr und immer neue Erntehelfer gibt.

Das griechische Wort, das die Evangelien verwenden, wäre besser übersetzt mit Schüler als mit Jünger. Die Zwölf sind Schüler von Jesus, Lebensschüler, und sie sollen andere zu Schülern machen, zu Nachfolgern von Jesus. Jesus hat viel investiert in seine Jünger, damit es weitergeht, wenn er nicht da ist. Es hat ihm nicht gereicht, dass sie an ihn glauben in einem ganz oberflächlichen Sinn. Sie sollten ihm nachfolgen. Sie sollten sein Werk fortsetzen.

Beides ist wichtig: Menschen vom Glauben zu erzählen und Gläubige zu Jüngern zu machen. Glaubenskurse für Suchende und Jüngerschaftskurse für Gläubige. Das eine ist, dass Menschen erfahren sollen, wer Jesus ist und an wen sie glauben dürfen, das andere ist, wie sie diesen Glauben leben.

Jesus ging es nie nur darum, dass man an ihn glaubt. Das ist ein trauriger Irrtum. Wie vielen Menschen wurde das gesagt: „Du glaubst jetzt an Jesus; dann bist du ein Christ.“ Dann muss man wenigstens sagen, was denn mit Glaube gemeint ist. Jesus ging es immer darum, dass man ihm vertraut, dass man mit ihm lebt, dass Menschen ein Teil von Gottes Herrschaft werden, dass Menschen Jünger werden. „Kehrt um, ändert euch Leben, denn das Reich Gottes ist nahe herbei gekommen!“ Das ist die Verkündigung Jesu.

Die Ernte ist groß aber es gibt wenige Arbeiter*innen. Darum bittet Gott, dass er Arbeiter*innen in die Ernte schickt. Ich verstehe das so, dass die Jünger sich auch aktiv dafür einsetzen sollten, dass es neue Arbeiter im Weinberg Gottes gibt. Multiplikation nennt man das. Das was Gott seinen Jüngern geschenkt hat, zu multiplizieren in anderen Menschen. Andere zu motivieren, zu begleiten, anzulernen. Das werden wir nicht erleben ohne unser Tun. Dennoch muss man darum beten. Das ist ein geistlicher Vorgang. Gott muss sie rufen. Gott muss sie senden. Gott muss sie begaben und bevollmächtigen. Darum beten wir, dass Gott Arbeiter in seine Ernte sendet  und wir tun das uns Mögliche dazu, „Jünger zu machen“, wie es im Missionsbefehlt heißt. (Matth 28, 19-20)

Jesus sendet seine Jünger!

Jesus geht durch alle Dörfer und Städte. Er lehrt, er predigt und er heilt. Jetzt sendet er seine Jünger aus in alle Orte zu gehen, um zu lehren, zu predigen und zu heilen. Die Jünger erhalten einen Verkündigungsauftrag und einen Heilungsauftrag. Und Jesus gibt ihnen die Vollmacht dazu. Vollmacht heißt, sie dürfen das, sie sollen das tun, in seinem Auftrag, und sie können das. Die Jünger werden nicht nur von Jesus gesandt, sie werden auch von ihm bevollmächtigt. Sie bekommen die Kraft und die Möglichkeit das zu tun, was sie tun sollen.

Jesus bevollmächtigt seine Jünger

Das dürfen wir auf jeden Fall schon einmal für uns auch wissen. Wenn Jesus uns einen Auftrag gibt, gibt er uns auch die Kraft und Weisheit dazu. Aber wie sieht es aus mit dem Heilungsauftrag?  Haben wir auch den Auftrag, andere zu heilen? Haben wir auch die Vollmacht dafür? Ich sage es gleich: ich meine: Nein. Zumindest nicht in dem Maße wie die Jünger ihn bekommen haben. Wenn wir uns die Fakten ansehen, dann haben die Zwölf tatsächlich damals Heilungen und das Austreiben von bösen Geistern erlebt. Das war eindeutig ihr Praktikumsauftrag als Jesus lebte und sie hier ausgesandt hat.

Zu diesem Praktikum, dieser ersten Aussendung gehörte es auch, dass die Jünger ausdrücklich nur zu ihrem Volk gesandt wurden. Ihr Auftrag bezog sich nur auf Israel. Sie sollen keinen Weg zu den Heiden gehen, auch nicht in eine Stadt der Samariter, sondern nur zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel. Als der Auferstandene dann seine Jünger in alle Welt zu allen Völkern gesandt hat, wir finden das am Ende des Matthäusevangeliums, fehlt der Heilungsauftrag.

Ich glaube, dass dieser allgemeine Heilungsauftrag an die Zeit gebunden war, in der Jesus mitten unter seinen Jüngern lebte. Und selbst da gab es ja Kranke, die zu den Jüngern gebracht wurden, für die sie nichts tun konnten. Dennoch haben die Apostel auch nach Himmelfahrt Heilungen erlebt und Paulus schreibt von verschiedenen Gaben von Heilungen, die Gott den Christen in Korinth geschenkt hat. 1. Korinther 12, 9 steht im Griechischen dieser doppelte Plural, Gaben von Heilungen. Es gibt unterschiedliche Gaben, die zur Heilung von Menschen führen können. Weiter führt Paulus es nicht aus. Dazu kann auch die Gabe gehören, andere zu pflegen oder medizinisch zu versorgen.

Dennoch hat mich die Frage nach Heilung durch den Heiligen Geist, Heilung durch Gebet, nie losgelassen. Auf einer Gemeindefreizeit haben wir uns einmal dazu ausgetauscht und einige wenige haben von wunderbaren körperlichen Heilungen durch Gebet erzählen können.

Von allen Aposteln in allen Briefen wird das Thema Heilung nicht mehr betont oder herausragend aufgegriffen. Ich denke, dass es immer noch Heilungen gab, aber nicht mehr in der Form wie bei der Aussendung der Jünger zu Lebzeiten Jesu. Es ist eher von Krankheiten und Beschwerden die Rede als von Heilungen. Paulus selbst ist chronisch krank und muss lernen, es anzunehmen, damit zu leben. (2. Kor 12, 7-8; Gal 6,11) Gott ist in unserer Schwachheit mächtig, schreibt er (2. Kor 12,9). Das musste er an seinem eigenen Leib erfahren. Als Timotheus Probleme mit dem Magen hat, rät Paulus ihm, Wein zu trinken. (1. Tim 5,23)

Dennoch haben wir auch in unserer Gemeinde erlebt, wie Menschen durch schwere Krankheiten und Therapien geführt werden und Menschen wieder gesund werden, für die die Ärzte kaum noch Hoffnung hatten. Wenn mich jemand bittet, bitte ich um Heilung. Ich möchte es hoffen und dafür offen sein. Auch als Älteste wurden wir schon einmal gebeten, für jemand um Heilung zu bitten (vgl. Jak  5,15). Versprechen können und sollten wir es aber nie, dass Gott wieder von einem körperlichen oder seelischen Leiden heilt.

Jesus hat uns gesendet

Es ist Erntezeit. Jesus sieht das so. Weil er die Menschen sieht. Auf dem Feld, das Gott bearbeitet, gibt es immer reif werdende Früchte. Zu jeder Jahreszeit. Jesus sieht die Menschen und es dreht ihm den Magen um. Es treibt ihm die Tränen in die Augen. Es zerreißt ihn. Er hat so gelitten für diese Menschen. Wer weint jetzt mit ihm? Wer erbarmt sich? In welchen Herzen kann seine Liebe wohnen? – Heute sendet er uns. Um Menschen wahrzunehmen. Damit wir uns ihre Not zu Herzen gehen lassen und ihnen helfen. Damit wir ihnen sagen, ihnen ist Gottes Reich nahe gekommen ist.  Erntezeit ist Endzeit. Letzten Endes ist diese ganze Zeit eine Zeit der Geduld Gottes. Er watet noch weil er will, dass möglichst viele gerettet werden.

Amen.

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