Psalm 16 Traueransprache – Der Weg zum Leben

Liebe Trauergemeinde,

für meine Ansprache habe ich den letzten Vers von Psalm 16 ausgesucht:

V 11       Du führst mich den Weg zum Leben. In deiner Nähe finde ich Freude in  Fülle; aus deiner Hand kommt mir ewiges Glück.

In Psalm 16 geht es um den Weg zum Leben. Es geht darum, was das Leben hält, was bleibt, was zuverlässig ist. Der Beter oder Sänger von Psalm 16 bekennt, dass er Gott vertraut, und dass nichts für ihn in seinem Leben eine größere Freude ist als Gottes Gegenwart und Gottes Treue zu ihm.

Ich lese einige Verse aus Psalm 16:

1 Ein Lied Davids. Bewahre mich, Gott, denn ich vertraue dir.
2 Zu dir habe ich ja gesagt: »Du bist mein Herr. Mein Glück finde ich allein bei dir!« 
6 Mir ist ein schöner Anteil zugefallen; was du mir zugemessen hast, gefällt mir gut.
7 Ich preise den HERRN, der mir sagt, was ich tun soll; auch nachts erinnert mich mein Gewissen an seinen Rat.
8 Er ist mir nahe, das ist mir immer bewusst. Er steht mir zur Seite, nichts kann mich erschüttern. 9 Darum bin ich voll Freude und Dank, auch mein Leib wird sicher liegen.  
10 Du, HERR, wirst mich nicht der Totenwelt preisgeben! Du wirst nicht zulassen, dass ich für immer im Grab ende; denn ich halte in Treue zu dir! 
11 Du führst mich den Weg zum Leben. In deiner Nähe finde ich Freude in Fülle; aus deiner Hand kommt mir ewiges Glück.

Der Beter betet nicht das erste Mal. Er ist vertraut mit Gott. Er hat eine Geschichte mit ihm. Und er hat sich an ihn gebunden. Es gibt andere Götter, es gibt andere Ziele im Leben, er aber hat sich entschieden: „Du bist mein Herr. Mein Glück finde ich allein bei dir!“

Der Beter dankt für das Los, das ihm zugefallen ist, er dankt für sein Erbteil. Damit ist das Land gemeint, das Gott ihm zugeteilt hat, auf dem er leben konnte, dass ihn ernährt hat. Ich finde das Wort Los interessant. Unter einem neuen Aspekt. Das Leben ist wie eine Lotterie. Wo werde ich geboren? In welcher Kultur, in welchem Land, in welcher Familie? Was hatte ich für Eltern, welche Bildungschancen hatte ich, wer hat mich geliebt und wen habe ich geliebt? Wie sieht mein Leben aus mit 20, mit 40 mit 60 mit 80 Jahren?

Mein Eindruck ist: Wir können ein wenig mitlenken, mitgestalten, wir treffen Entscheidungen, die sich auswirken im Leben. Das meiste aber ist Geschenk. Wir haben es nicht ausgesucht, Gott hat uns in unser Leben hineingestellt.

E‘s Leben war wie das Leben der meisten von uns auf andere Weise auch nicht nur leicht. Sie hat Krieg erlebt, Flucht, ihre Heimat verloren, musste in Deutschland neu ihr Zuhause finden. Dennoch glaube ich, E. könnte das auch sagen: „Mein Los ist auf gutes Land gefallen. Es gefällt mir, Gott, was du in mein Leben hineingelegt hast. Du hast mich geprägt, erzogen, und du hast mich wunderbar geführt.

Der Beter von Psalm 16 dankt Gott für seine Begleitung: Du hast mich beraten, wenn ich Rat brauchte. Du hast mich nicht allein gelassen bei wichtigen Entscheidungen. Du bist mir nicht von der Seite gewichten, du warst mein Anwalt, mein Coach. Du hast mich mit deiner rechten Hand gehalten. So konnte ich sicher gehen. „Du bist mir nahe, das ist mir immer bewusst. Du stehst mir zur Seite, nichts kann mich erschüttern.“ (Vgl. Vers 8)

In vielen Situationen unseres Lebens würden wir gerne schon weitersehen, um die Ecke sehen. Wie wird sich mein Leben entwickeln? Was kommt auf mich Schweres zu?  Werde ich, werden wir bewahrt bleiben von schweren Unfällen, von tödlicher Krankheit? Wird mein Lebenspartner mit mir alt werden? Nicht zu wissen, was kommt, kann unruhig machen, ängstlich, Sorgen können uns quälen.

Der Beter von Psalm 16 kennt solche Momente. Dann aber weiß er: „Gott steht mir zur Seite.  Gott geht mit. Ich gehe an seiner Hand!“  Darin findet er Ruhe und Freude. Er weiß, mit wem er weitergeht. „Steht er mir bei, so werde ich nicht wanken“ sagt er.

Ich habe E. nie jammern gehört. Sie hatte ernste Krankheiten, aber sie wollte das nicht zum Thema machen. Sie hat gelebt, angepackt, sie hatte etwas ganz Festes in sich. Ich meine, E. hatte auch diesen Frieden, dieses Vertrauen, in Gottes Hand geborgen zu sein. Sie hat ihr Leben gestaltet und sich Menschen zugewandt, weil sie selbst in sich Ruhe, Friede und Freude hatte. „Du stehst mir zur Seite, nichts kann mich erschüttern.“

Psalm 16 ist einer der Texte im Alten Testament, in denen schon die Hoffnung auf ein ewiges Leben bei Gott, ein Leben nach dem Tod aufblitzt. Dieser Gott, der das Leben will, und der mich will, er wird mir auch im Sterben nicht von der Seite weichen. Er wird mich zu sich in die Herrlichkeit ziehen.

Verse 9 und 10 können wir mit Psalm 16 beten: „Darum freut sich mein Herz, und meine Seele ist fröhlich; auch mein Leib wird sicher liegen.  Du, HERR, wirst mich nicht der Totenwelt preisgeben! Du wirst nicht zulassen, dass ich für immer im Grab ende; denn ich halte in Treue zu dir!“ 

„Mein Leib wird sicher liegen.“ Wenn ich mich abends ins Bett lege, weiß ich: „Mein Leib wird sicher liegen.“ Wenn ich im Krankenhaus bin oder in den OP-Saal geschoben werde, kann ich mir sagen: „Mein Leib wird sicher liegen.“ Wenn ich auf Reisen bin, weiß ich: „Mein Leib wird sicher liegen“. Und auch wenn ich sterben muss, weiß ich: „Mein Leib wird sicher liegen. Du wirst mich nicht dem Tod überlassen. Ich werde ankommen bei dir in der Herrlichkeit!“

Ostern hat Jesus den Tod besiegt. Er war seinem Vater im Himmel gehorsam bis zum Tod. Er hat seinen Tod am Kreuz bewusst auf sich genommen. „Mein Leib für euch gebrochen. Mein Blut für euch vergossen!“ hat er beim Abendmahl gesagt. Gott hat seine Liebe am Kreuz gezeigt. Er hat sich selbst dahingegeben. Er hat alles, was uns von ihm trennt, selbst in seinem Sohn getragen. Er hat sich mit uns versöhnt. Und er hat Jesus auferweckt am dritten Tag als Ersten, der den Tod überwunden hat.

Am Ende habe ich E. doch noch jammern gehört. Im Bett im Pflegeheim. Sie hatte Schmerzen. Seelisch und körperlich. E. war eine starke Frau, sie hat immer gerne kommuniziert, sie hat sich gepflegt, auf ihr Äußeres geachtet, nicht übertrieben, sondern angemessen, sie hat sich eine schöne Wohnung eingerichtet. Alles das hatte sie verloren. Das Schlimmste war wohl, dass sie schon vorher nach den Schlaganfällen nicht mehr sprechen konnte. Alles das ist ihr schwer gefallen und am Ende hat sie sich gewünscht, sterben zu können. Gott hat ihre du unsere Bitten erfüllt und ihr Leiden abgekürzt. Wir danken Gott für sie und für seine Gnade für sie.

„Der Weg zum Leben“ ist der Psalm in einer Übersetzung überschrieben. Jede und jeder von uns geht auf seinem Weg durch das Leben. Mit Erwartungen, Hoffnungen, vielleicht auch mal mit Sorgen oder Ängsten. Mit Chancen und mit Einschränkungen. Wir gestalten es und  doch haben wir uns selbst und unser Leben letztlich nicht in unserer Hand.

Psalm 16 und das Leben von E. laden uns ein, Gott zu sagen:
Du bist mein Herr. Ich weiß in Leben nichts Besseres als dich. Dich will ich immer vor Augen haben, mich von dir leiten lassen, dir vertrauen. Du wirst nicht zulassen, dass mein Leben in der Grube endet.

Ich schließe mit dem Vers, mit dem ich begonnen habe: Psalm 16, 11:
„Du führst mich den Weg zum Leben. In deiner Nähe finde ich Freude in Fülle; aus deiner Hand kommt mir ewiges Glück.“

Amen

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