Römer 8, 31b – 39 Glaube in einer uns anfechtenden Welt
31.12.2023
Liebe Gemeinde,
heute geht es um Glauben in einer Welt, die unseren Glauben angreift. Es geht um Glaubensgewissheit, um Freude am Glauben, um Halt und Hoffnung, auch, wenn wir im Leben etwas zu tragen haben. Ich lese einen sehr tröstenden Text aus Römer 8, 31b-39:
31b Gott ist für uns; wer kann uns da noch etwas anhaben? 32Er hat ja nicht einmal seinen eigenen Sohn verschont, sondern hat ihn für uns alle hergegeben. Wird uns dann zusammen mit seinem Sohn nicht auch alles andere geschenkt werden?
33 Wer wird es noch wagen, Anklage gegen die zu erheben, die Gott erwählt hat? Gott selbst erklärt sie ja für gerecht. 34 Ist da noch jemand, der sie verurteilen könnte? Jesus Christus ist doch ´für sie` gestorben, mehr noch: Er ist auferweckt worden, und er ´sitzt` an Gottes rechter Seite und tritt für uns ein.
35 Was kann uns da noch von Christus und seiner Liebe trennen? Not? Angst? Verfolgung? Hunger? Entbehrungen? Lebensgefahr? Das Schwert ´des Henkers`? 36 Mit all dem müssen wir rechnen,` denn es heißt in der Schrift: »Deinet-wegen sind wir ständig vom Tod bedroht; man behandelt uns wie Schafe, die zum Schlachten bestimmt sind.«
37Und doch: In all dem tragen wir einen überwältigenden Sieg davon durch den, der uns ´so sehr` geliebt hat. 38 Ja, ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch ´unsichtbare` Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch ´gottfeindliche` Kräfte, 39 weder Hohes noch Tiefes, noch sonst irgendetwas in der ganzen Schöpfung uns je von der Liebe Gottes trennen kann, die uns geschenkt ist in Jesus Christus, unserem Herrn. (Neue Genfer Übersetzung)
Man kann sagen, was man will: Ein Jahreswechsel ist ein Einschnitt. Stärker als der Geburtstag. Man sieht zurück: Wie war das Jahr? Man sieht nach vorne: Was kommt auf uns zu? Man schließt einen Kalender und beginnt einen neuen.
Sehen wir zuerst zurück. Was passiert ist, was wir erlebt haben, liegt hinter uns. Wir schweben noch einmal zurück, sehen alles noch einmal von oben an. Wie war das Jahr? Im Persönlichen gab es Höhen und Tiefen. Jede und jeder sieht seine eigenen Berge und Täler. Manches werden wir vielleicht immer mit diesem Jahr 2023 verbinden: Ein Kind wurde geboren, jemand hat sich taufen lassen, vielleicht gab es wichtige Entscheidungen, vielleicht ist jemand gestorben.
Über das Persönliche hinaus sind wir erschrocken, was in der Welt passiert. Politisch und in der Umwelt. Das ganze Jahr Krieg in der Ukraine. Seit mehr als drei Monaten Krieg in Israel und Palästina. Umweltkatastrophen überall auf der Erde: Um nur einige in der Nähe zu nennen: Erdbeben in der Türkei, von Starkregen überflutete Städte in Italien und Österreich, andernorts von langer Dürre ausgetrocknete Flüsse, unfassbare Waldbrände in Griechenland, tennisballgroße Hagelkörner in Kassel.
Wie geht es politisch weiter in dieser Welt? Wird es Frieden geben? Wie wird sich der Klimawandel in 2024 zeigen? „Glaube in einer Welt, die aus den Fugen gerät“ hätte ich die Predigt auch überschreiben können.
Römer 8 ist bekannt für seine wunderbaren Zusagen:
Damit kann man getröstet und mutig ein Jahr beginnen:
„Weder Tod noch Leben, weder Engel noch ´unsichtbare` Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch ´gottfeindliche` Kräfte, 39 weder Hohes noch Tiefes, noch sonst irgendetwas in der ganzen Schöpfung kann uns je von der Liebe Gottes trennen, die uns geschenkt ist in Jesus Christus, unserem Herrn.“ (V39)
Aber Paulus tröstet in einer Welt, in wir angegriffen werden, in der lange nicht alles gut ist und lange nicht alles gut geht. Obwohl wir nicht wissen, was auf uns zukommt, wir dürfen mit Hoffnung in das neue Jahr gehen! Gott ist für uns! So beginnt unser Abschnitt aus dem Römerbrief. Wer oder was kann sich dann gegen uns stellen? Und Paulus schreibt, warum er das weiß, warum er da sicher ist: „Gott hat – für uns – seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern hat ihn für uns alle hergegeben! Wird er uns dann mit seinem Sohn nicht auch alles andere schenken?“
Dass Gott für uns ist, ist nicht selbstverständlich. Furchtbar, grausam, in schrecklichen Bildern haben wir gesehen, was Menschen Menschen antun können. Menschen können unfassbar gewalttätig sein. Unbelehrbar stur, stolz. Absolut gottlos. – Wir brauchen nicht weit weg zu denken, an Menschen, mit denen wir nichts zu tu haben. Auch unter uns gibt es Halbherzigkeit, Lieblosigkeit, Stolz, Empfindlichkeit. – Paulus muss nur in sein eigenes Leben zurücksehen. Was war er für ein stolzer Frommer. Was war er für ein Rechthaber. Wie viel Leid hat er über Menschen gebracht!
Wenn wir uns Menschen ansehen, gibt es keinen Grund, warum Gott für uns sein sollte. Der Grund liegt allein in ihm selbst! Gott will für uns sein. Er hat sich festgelegt. Er liebt uns aus sich heraus, ohne dass wir ihm einen Anlass dafür geben! Das kann man nicht verstehen, aber man kann es sich schenken lassen, man kann darauf vertrauen.
Die Liebe einer Mutter gibt uns eine Ahnung davon, wie Gott uns liebt. Eine Mutter, die ihre Kinder liebt, egal, was sie tun, egal, wo sie sind, egal wie sie sich verhalten: Die Liebe dieser Mutter werden sie nie loswerden. – Und wenn es doch eine Mutter gibt, die ihre Kinder vergisst: Gott vergisst uns nie! Nichts kann uns von seiner Liebe scheiden. „Gott tröstet uns, wie eine Mutter tröstet“, lesen wir bei Jesaja (66,13)! Gott sucht uns, sehnt sich nach uns, umarmt uns, er ist für uns, liebt uns, wie eine Mutter liebt.
Alles, was wir von Gott empfangen haben, alles, was du von Gott empfangen hast, haben wir geschenkt bekommen. Das ist unser Trost. Das gibt uns Hoffnung. – Gott liebt uns, er will, dass wir ihm vertrauen, dass wir ihm gehorchen, ihn mit unserem Leben ehren, ihn und unsere Nächsten lieben. Aber seine Liebe ist nie von unserem Tun abhängig. Sie ist immer Geschenk. Am 1. Januar 2024 beginnt ein Adventskalender mit 365 Türchen. Jeden Tag kannst du eine Tür öffnen und für jeden Tag findest du Gottes Versprechen: Nichts kann dich von meiner Liebe scheiden.
Das klingt so leichtfüßig, wenn man den Zusammenhang in Römer 8 vergisst. Als würde immer nur alles gut gehen. Als würden Christen keine schlimmen Leiden treffen. Das ist absolut nicht Paulus‘ Überzeugung. Er sagt es den Christen in Rom genau andersherum voraus: Wir werden geachtet wie Schlachtschafe. Man wird uns missachten, angreifen, verspotten, verfolgen. In seinem Brief an die Korinther schreibt er, was er erlebt hat:
„Von Juden habe ich fünfmal vierzig weniger einen Geißelhiebe erhalten; ich bin dreimal mit Stöcken geschlagen, einmal gesteinigt worden; dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, einen Tag und eine Nacht trieb ich auf dem tiefen Meer. Ich bin oft gereist, ich bin in Gefahr gewesen durch Flüsse, in Gefahr unter Räubern, in Gefahr von meinem Volk, in Gefahr von Heiden, (…) in Gefahr unter falschen Brüdern.“ (2. Kor 11, 24-27)
Gottes Liebe, Freude und Halt im Glauben, seine Hand, die uns festhält, wird uns begleiten. Aber es können Menschen sein oder Ereignisse, die unser Leben auch in der Zukunft beschweren.
Christen werden von anderen beurteilt und verurteilt. Paulus aber ermutigt seine Geschwister in Rom: „Wer kann uns beschuldigen? Gott ist hier, der uns gerecht macht! Wer kann uns verurteilen? Christus ist hier, der für uns gestorben ist, der auferweckt wurde, der zur Rechten Gottes sitzt und für uns einritt!“
Wer hat hier wen angeklagt? Warum schreibt Paulus diese Sätze? Haben sich Christen in der Gemeinde gegenseitig verurteilt? Waren die Christen selbst uneins und einer hielt sich für besser als der andere? Die Christen in den frühen Gemeinden aus Juden und Heiden, sie waren sich lange nicht in allem eins. (Von einer Gefahr unter falschen Brüdern schreibt Paulus den Korinthern. 2 Kor 11,27)
Oder hat Paulus sein Volk, die Juden, vor Augen? Oder gab es schon Angriffe seitens der Römer? Wer ist es, der die Christen in Bedrängnis bringt, dass Paulus sie erinnern muss: Gott ist für euch!? Niemand kann euch verurteilen!
Ankläger werden sich immer finden. Für jeden von uns. Nicht selten haben sie Recht. Menschen machen Fehler. Wir auch. Manchmal klagen andere uns an. Oft klagen wir uns auch selbst an. Dann sind wir alles andere als glücklich mit uns selbst. Dann wären wir am liebsten jemand anderes. Der größte Ankläger aber ist der Teufel. Er will es uns einflüstern: Jetzt ist Schluss mit Gottes Liebe!
Wenn wir vor Jesus stehen – stellt euch das nur jetzt einmal vor – wenn wir vor Jesus stehen, könnte uns der Teufel mit Recht anklagen: „Die oder der hat gesündigt!“ Und dann könnte er aufzählen, wo wir Gott nicht vertraut haben, wo wir lieblos waren, wo wir ein hartes Herz hatten, taube Ohren, wo wir unsere andere Wange nicht hingehalten, sondern zurückgeschlagen haben, unsere ganze Halbherzigkeit könnte er der Teufel aufdecken. – Und wenn er fertig wäre mit seinen Anklagen, dann zeigte Jesus seine Hände, oder Gott zeigte auf seinen Sohn und sagt: „Und das habe ich für ihn getan! – Ich bin für ihn!“
Ein Richter fragt einen Verurteilten: „Nehmen sie das Urteil an?“ Jesus stellt uns eine andere Frage: „Nimmst du den Freispruch an? Ich habe alles bezahlt! Gott ist für dich!“ Wem glaubst du, denen die dich anklagen? Glaubst du dir selbst, wenn du in deinen Schuldgefühlen versunken bist? Wenn du dich selbst nicht mehr lieben kannst? Oder glaubst du Jesus? Freue dich über sein Geschenk! Nimm es fröhlich an, dass dich nichts von Gottes Liebe trennen kann!
Wir sollen unsere Schuld nicht klein machen. Das ist nicht gemeint. „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht.“ hat Johannes gelehrt. (1. Joh 1,9) Nenne deine Sünde auch Sünde. Und wo du dich bei jemandem entschuldigen musst oder etwas wieder gut machen müsstest, da entschuldige dich oder mache etwas wieder gut, wo es möglich ist. Aber das Urteil über dich sprechen nicht andere. Christus ist hier, der für dich gestorben ist, der auferweckt wurde und bei Gott auf deiner Seite steht.
Glaube in einer ungerechten, leidvollen Welt. Darum geht es heute. Gott sei Dank erleben wir in Deutschland nicht alles, was Paulus hier aufzählt: Gefahr für Leib und Leben, Verfolgung, Hunger, Stockhiebe, das Schwert des Henkers Wir erleiden kein Schiffbruch und treiben nicht im dunklen Meer. 36Mit all dem müssen wir rechnen,` denn es heißt in der Schrift: »Deinetwegen sind wir ständig vom Tod bedroht; man behandelt uns wie Schafe, die zum Schlachten bestimmt sind.«
Wir singen das Lied nicht oft, aber wenn wir es singen, frage ich mich, ob ich das mitsingen kann: Martin Luther schreibt in der 4. Strophe seines Liedes „Ein feste Burg ist unser Gott“: „Nehmen sie Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib: lass fahren dahin, sie haben´s kein Gewinn, das Reich muss uns doch bleiben.“ Was ist das für ein Glaube! Was für eine Kraft, was für eine Freiheit.
Was haben wir 2023 erlebt? Was werden wir 2024 erleben?
Hoffentlich nichts von dem, was Paulus und Luther schreiben.
Pauls aber schreibt: „In dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat!“ So heißt es in der Lutherübersetzung. In der Neuen Genfer Übersetzung lesen wir: „In all dem tragen wir einen überwältigenden Sieg davon durch den, der uns ´so sehr` geliebt hat.“
Für mich ist das der größte Satz heute, der Satz, der mich am meisten freut und ermutigt: Was auch kommen wird: „In dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat!“
365 Tage später werden wir wieder auf ein Jahr zurücksehen.
Es wird andere Höhen und andere Tiefen gegeben haben.
Aber das werden wir sann sagen können:
- Nichts konnte und nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes.
- Es war nicht alles leicht, aber „In dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat!“
Amen
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