Überwindet das Böse mit Gutem!
Herzlich willkommen zu unserer Andacht am Sonntag.
Heute geht es um Konflikte, um Unrecht, das wir erleben, das andere uns antun, und wie wir damit umgehen. Also ein Thema, das alle betrifft. Wie verhalten wir uns?
Wie reagieren wir, wenn uns jemand verletzt, uns Böses antut? Auch weil das ein so wichtiges Thema ist, möchte ich beten.
Herr wir kommen zu dir. So wie wir sind. Vater, Du bist der Vater der Barmherzigkeit.
Jesus, du hast für uns gelitten, du hast alles gegeben, um Frieden zu schaffen. Heiliger Geist, Du bist die Kraft der Liebe Gottes, du willst uns verändern und das Wesen Gottes in uns stark machen. Erbarme dich über uns. Lass uns lernen von dir. Gib uns ein Herz, das die gehört und dir das dir vertraut! Amen.
Ich lese einen Abschnitt aus dem Brief von Paulus an die Christen in Rom: Römer 12, 17-21
17 Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. 18 Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. 19 Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben (5.Mose 32,35): »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.« 20 Vielmehr, »wenn deinen Feind hungert, so gib ihm zu essen; dürstet ihn, so gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln« (Sprüche 25,21-22). 21 Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. (Luther 2017)
Paulus schreibt, wie wir uns verhalten sollen in Konflikten. Konflikte gehören zum Leben. Konflikte sind nichts Schlimmes, sondern etwas ganz Natürliches. In einer Wohngemeinschaft, in der Familie, zwischen Nachbarn, auch zwischen Freunden und zwischen Völkern. Interessen sind unterschiedlich, vielleicht auch gegenläufig: Der eine will Ruhe, die andere Musik. Meinungen und Prägungen sind verschieden. Da muss es zu Konflikten kommen, wenn man ehrlich ist. Wie man mit Geld umgeht, wie man mit Zeit umgeht, ob man vorausplant oder spontan ist, ob und wie man aufräumt, wie man kommuniziert.
Konflikte gehören zum Leben. Nun sind wir Menschen aber nicht immer ausgeglichen, fair, liebevoll. Wir reagieren nicht immer angemessen. Wir werden schuldig aneinander. Konflikte können zu bösem Streit werden. Wir können andere verletzten oder selbst verletzt werden. Je nachdem, wie wir mit Konflikten umgehen, können sie dem Leben dienen oder Leben zerstören.
Wie gehen wir damit um, wenn uns Unrecht getan wird? Was nehmen wir für eine Haltung ein, wenn Menschen uns zu Feinden werden, uns unterdrücken, jede Achtung uns gegenüber verloren haben?
Es ist kein Geheimnis, dass Feindesliebe ein Kernstück des Glaubens war – im Urchristentum! Jesus hat es gefordert, Paulus und Petrus fordern sie in ihren Briefen. Jesus hat gesagt:
„Wenn dir einer auf die eine Wange schlägt, dann halte ihm die andere auch noch hin. Wenn einer von dir verlangt, dass du ihm sein Oberkleid gibst, gib ihm auch noch dein Unterkleid. Wenn einer dich zwingt, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh noch eine zweite Meile mit ihm.“ (vgl. Matthäus 5, 38-42)
In allen drei Beispielen beschämt sie oder er, dem Unrecht getan wurde, seinen Täter. Er setzt noch einen oben drauf. Er oder sie reagiert völlig unerwartet und konfrontiert damit den Feind, den Gegner, mit etwas Gutem, das er tut. Römische Soldaten konnten einen beliebigen Bürger, auffordern, sein Gepäck oder seine Waffen eine Meile zu tragen. Wenn ein Soldat das tat, nahm er sein privilegiertes Recht in Anspruch, das aber eigentlich Unrecht war! Es entsprach dem römischen Recht aber es war nur ein weiteres Symbol der Unterdrückung. Nicht alles, was Recht ist, ist Gott recht. Wenn ein Römer dich also zwingt, eine Meile seine Lasten zu tragen, dann biete ihm an, sie noch eine zweite Meile zu tragen.
Feinde damals waren nicht einfach unsympathische Nachbarn oder Kollegen. Es waren Menschen, die Gewalt über einen hatten, die einem wirklich Böses antun konnten. Und angetan haben! Feindesliebe hat zunächst einmal nichts mit Sympathie oder gar Freundschaft zu tun. Ich muss den anderen nicht mögen! Es geht darum, den Kreislauf von Hass nicht mitzumachen. Auszusteigen aus der Spirale von Zorn und Verurteilung. Seine Reflexe, seinen Zorn, seine Verletztheit in den Griff zu bekommen. Den Frieden zu suchen, auch wenn es mich viel kostet. Sein eigenes Recht, sein Rechthaben, hintenan zu stellen, wenn es dem Frieden dient. Ich möchte sagen: Dem anderen mehr zu geben, als er verdient hat, weil Jesus mir mehr gibt, als ich verdient habe.
Feindesliebe, im Kleinen und im Großen, ist weniger eine Sache des Gefühls, als des kühlen Kopfes. Weiter zu denken, als nur bis zum nächsten Vergeltungsschlag. Den Frieden zu suchen. Den anderen zu sehen in seinen Bedürfnissen. Nicht verletzt und stolz zu reagieren. Zu fragen, was dem Leben dient.
„Rache ist süß!“ sagt man ja. Im Internet findet man Beispiele, wie man sich rächen kann: Milch in den Tank gießen. Mitten in der Nacht im Namen des Nachbarn ein paar Pizzas bestellen. Um nur zwei Beispiele zu nennen. Ich will euch ja nicht auf den Geschmack bringen. Da kann man seine Rache so richtig genießen. „Rache ist süß!“ sagt man in der Welt. „Liebe ist süßer!“ sagt das Evangelium, sagt Gott, der Vater, der Sohn, der Heilige Geist. „Liebe ist süßer!“ Keine Freude am Schaden des anderen haben, sondern sich freuen, wenn es ihm gut geht! Sich freuen, wenn es dem gutgeht, der mich verletzt hat. Und meinen Beitrag dazu zu leisten!
„Gott ist die Liebe“ Das heißt nichts anders als: Gott ist Feindesliebe! Er liebt die und den, die und der es nicht verdient haben. Gar nicht verdient haben! Wenn du den liebst, der dir auch Gutes tust, was bist du anders als die Menschen, die von Gott nichts wissen? In der Bergpredigt hat Jesus gesagt: „Selig sind die Friedensstifter, denn sie werden Gottes Kinder heißen”. Das ist kein leichter Job. Das hat auch nie jemand behauptet! Das kostet Mut, offene Gespräche, Demut. Aber das ist unser Auftrag.
Nur einmal schnell dazwischengeschoben: Das bedeutet nicht, dass Christen immer alles aushalten müssen, alles schlucken, jedem Konflikt ausweichen, alles laufen lassen, auch wenn es unrecht ist. Die Beispiele, die Jesus in der Bergpredigt gewählt hat, betreffen drei Situationen, in denen der Unterdrückte gar nicht anders kann. Er muss die Ohrfeige aushalten, er muss seinen Mantel geben, er muss die Meile mitgehen. Selbst in der Situation sucht sie oder er den Frieden, schlägt nicht zurück, schadet dem Gegner nicht!
Aber wo wir gegen Unrecht reden können, dürfen, sollen wir Unrecht benennen, aufdecken, versuchen, etwas gegen das Unrecht zu tun. Auch das tun Friedensstifter. Wir müssen es sogar tun, uns auf die Seite derer stellen, denen Böses widerfährt. Aber nie wird Böses durch Böses überwunden! „Noch nie hat jemand den Hass besiegt, ohne ihn selbst zu beenden.“ Das ist ein Zitat von dem Kabarettisten, Dichter und Christen Hanns-Dieter Hüsch. „Noch nie hat jemand den Hass besiegt, ohne ihn selbst zu beenden.“
Paulus schreibt also den Römern:
17 „Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. 18 Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. 19 Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben (5.Mose 32,35): »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.“
Es ist Unrecht. Aber wir sollen es nicht rächen. Wir sollen Gott vertrauen, dass er das Unrecht einmal aufdecken und strafen wird. Paulus hat die feste Überzeugung: Unser Leben ist in der Macht Gottes geborgen. Er sieht es. Ungerechtigkeit wird nicht das letzte Wort haben. Gott wird mein Unrecht und das, was andere getan haben, einmal aufdecken, herausholen und sein Urteil dazu sprechen. Wenn ich „dem Zorn Gottes Raum gebe“, stelle ich mich und meine Gegner vor Gottes Gericht. Ich liefere mich und den anderen seinem Urteil aus. Vielleicht wird sich zeigen, dass meine Fehler, meine Schuld viel größer ist, als ich es selbst erkannt habe.
Der Zorn Gottes ist in der Bibel nie ein Gefühlsausbruch Gottes. Gott fährt nicht aus der Haut, wenn er zornig ist. Gott wird nicht unangemessen. Er will den anderen auch nicht vernichten. Auch sein Zorn, sein strafendes Handeln, will letzten Endes zurecht bringen. Der Zorn Gottes in der Bibel ist ein Ausdruck für sein Handeln auf Sünde. Gottes Zorn beschreibt seine Reaktion auf das Böse. Ein anderer biblischer Begriff dafür ist das Gericht, das Gericht Gottes.
Vergelte nicht Böses mit Bösem. Lass jedem Menschen Gutes zukommen. Überlass Gott das Urteil. Wenn dein Feind hungert, gib ihm zu essen. Wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken. „Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln!“ (V20)
Zunächst denkt man: Also doch Rache! Schmerz! Freude daran, den anderen leiden zu sehen! Aber hinter dieser Formulierung steht ein antiker Brauch. Zwei Mal nur wird er in der Bibel erwähnt. Darüber hinaus ist er für das antike Ägypten belegt. Wer eine schwere Schuld begangen hat und überführt wurde, wer seine Schuld einsieht, der stellt sich als Zeichen der Reue und der Buße auf einen öffentlichen Platz und hat eine Schale mit heißen Kohlen auf dem Kopf. Es ist ein Zeichen der Buße und der Umkehr. Das Gute, was ich dem Feind tue, soll ihn dazu bringen, sich selbst zu erkennen, in sich zu gehen, umzukehren. Das ist ganz auf der Linie der Bergpredigt von Jesus mit der zweiten Wange, mit dem Mantel oder mit der zweiten Meile.
Die „Gute Nachricht – Bibel“ übersetzt das Wort aus den Sprüchen, das Paulus hier zitiert so:
„Wenn dein Feind hungrig ist, dann gib ihm zu essen, und wenn er Durst hat, dann gib ihm zu trinken. Damit bringst du ihn dazu, sich zu ändern, und Gott wird dich dafür belohnen!“ (Sprüche 25,21)
Eine Garantie hast du nicht, dass dein Feind durch das Gute, was du ihm tust, eine neue Sicht auf sich selbst gewinnt. Aber den Versuch ist es doch wert! Und es ist genau das Handeln, was wir bei Gott finden, wie er an Menschen und an dieser Welt handelt. Er hat alles getan für den Frieden, ohne eine Garantie, dass es beim Menschen ankommt, dass er sich Gott neu zuwendet, dass er sich ändert.
Überwinde das Böse mit Gutem! Bei der Predigtvorbereitung habe ich einige Beispiele gefunden: Ein Junge steht bei einem Eisverkäufer. Er hat die Waffel mit den Kugeln schon in der Hand. Als der Eismann kurz abgelenkt ist, läuft der Junge los, ohne zu bezahlen. Der Verkäufer sieht den Jungen in einen Bus steigen, läuft hinterher, betritt den Bus, seine ganze Schulklasse und zwei Lehrer sind dabei. Da geht der Eismann auf den Jungen zu und gibt ihm sein Portemonnaie: „Hier, hast du bei mir liegen lassen. Damit du dein nächstes Eis auch bezahlen kannst.“
Ein viel ernsteres Beispiel hat auch die internationale Presse vor einigen Jahren aufgenommen. Der 12-jährige Palästinenserjunge Achmed wird irrtümlich von einem israelischen Soldaten erschossen. Der Vater entscheidet sich im Krankenhaus die Organe seins Jungen zu spenden. Fünf israelitischen Kindern wurde durch die Organe seines Sohnes das Leben gerettet. Diese Haltung und Entscheidung des Vaters ging als ein Zeichen des Friedens um die Welt.
Aus Israel und Palästina gibt es ungezählte Gegenbeispiele der Eskalation. Einer Bombe auf Gaza folgen zwei Bomben auf Gaza. Ein Jude wird erschossen. Einige Palästinenser müssen dafür ihr Leben lassen. Aus Rache. Zur Abschreckung. Und wieder eskaliert die Gewalt. Ich habe die Lösung nicht für die Konflikte in dieser Region. Aber kaum irgendwo erleben wir immer wieder so deutlich, dass man Böses nicht mit Bösem besiegen kann, dass Gewalt immer wieder zu Gegengewalt führt. Noch nie hat es in einer Beziehung zum Guten geführt, wenn man sich anschreit, verunglimpft, sich gegenseitig abstraft und klein macht.
Der berühmte Baptistenpastor und Kämpfer gegen Rassismus, Martin Luther King, hat es einmal so ausgedrückt:
„Finsternis kann keine Finsternis vertreiben. Das gelingt nur dem Licht. Hass kann den Hass nicht austreiben. Das gelingt nur der Liebe. Hass vervielfältigt den Hass; Gewalt mehrt Gewalt, Härte vergrößert Härte in einer ständigen Spirale der Vernichtung. … Die Kettenreaktion des Bösen – Hass, der neuen Hass gebiert, Kriege, die neue Kriege nach sich ziehen – muss unterbrochen werden. Sonst werden wir in den Abgrund der Vernichtung stürzen.“
Was haben Sie für Konflikte? Und mit wem? Zuhause? In der Gemeinde? Im Beruf? Konflikte gehören zum Leben. Sie sind etwas völlig Normales. Verschiedene Interessen und Überzeugungen zu leugnen, das ist keine Lösung. Das Eigene um jeden Preis durchzusetzen auch nicht.
Paulus schreibt, und er befindet sich damit voll auf der Linie von Jesus:
- Zahlt Böses nicht mit Bösem heim.
- Nehmt euch vor, allen Menschen Gutes zukommen zu lassen.
- Soweit es an euch liegt, habt mit jedem Menschen Frieden.
- Verschafft euch nicht selbst das Recht, sondern übergebt es dem Gericht Gottes.
- Lasst euch nicht vom Bösen besiegen. Besiegt es, indem ihr Gutes tut!
Amen.
Zurück