Wer sein Leben liebt, gibt es Jesus

Liebe Gemeinde,

liebt ihr eure Leben? Wir sind ja heute endlich wieder live im Gottesdienst. Da kann ich eure Hände sehen. Wer liebt sein Leben? Zeigt doch mal. Hebt doch mal eine Hand. Na, das ist doch super. Fast alle haben die Hand gehoben. Was aber sagt ihr dazu: Jesus sagt „Wer sein Leben liebt, der wird es verlieren!“ Was soll das? Wenn jemand sein Leben nicht lieben kann, das ist doch  traurig! Das kann Jesus doch nicht wollen. Sollen wir Christen den ganzen Tag griesgrämig durch die Gegend laufen?

Wir lieben doch unser Leben. Gerade jetzt, wo die Sonne scheint, wenn der  Frühling kommt,  erste Blumen sich hervorwagen. Wir freuen uns über Freunde, mit denen wir Kontakt haben,   über ein gutes Essen, wenn wir gesund sind, wenn wir Kinder spielen sehen oder uns am Abend eine schöne Flasche Wein aufmachen. Was kann daran falsch sein? Muss  man  als Christ alles Schöne hassen? Wir müssen uns die Geschichte einmal näher ansehen. Ich lese Joh. 12, 20-26:

20 Unter denen, die zum Fest nach Jerusalem gekommen waren, um Gott anzubeten, befanden sich auch einige Nichtjuden. 21 Sie gingen zu Philippus, der aus Betsaida in Galiläa stammte, und sagten zu ihm: »Herr, wir möchten gerne Jesus kennen lernen.« 22 Philippus sagte es Andreas, und die beiden gingen zu Jesus.
23 Er antwortete ihnen: »Die Stunde ist gekommen! Jetzt wird die Herrlichkeit des Menschensohns sichtbar werden.
24 Amen, ich versichere euch: Das Weizenkorn muss in die Erde fallen und sterben, sonst bleibt es allein. Aber wenn es stirbt, bringt es viel Frucht.
25 Wer sein Leben liebt, wird es verlieren. Wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es für das ewige Leben bewahren. 26 Wer mir dienen will, muss mir auf meinem Weg folgen, und wo ich bin, werden dann auch die sein, die mir gedient haben. Sie alle werden von meinem Vater geehrt werden.

In Jerusalem steht das Passahfest vor der Tür. Das Passahfest in ein Wallfahrtsfest. Da kommen alle, die können, nach Jerusalem. In erster Linie natürlich Juden. Aber es kamen auch Heiden, Menschen, die nicht aus dem Judentum kamen. Das Wort für Heiden war damals Griechen. Juden nannten alle Menschen, die Nichtjuden waren, Griechen.

Und von diesen Nichtjuden nun haben einige von Jesus gehört. Sie waren auch zum Passahfest gekommen, um Gott anzubeten. Es waren gläubige Nichtjuden. Entweder waren es so genannte Gottesfürchtige, so nannte man Heiden, die an den Gott Israels glaubten, oder es waren Proselyten; so nannte man Heiden, die zum Judentum übergetreten waren.

Auf jeden Fall waren sie Jesus-Sucher. Sie wollten Jesus sehen, ihn hören, ihn selber erleben. Am Tag zuvor war er unter großem Jubel in die Stadt eingezogen. Die Juden haben ihn wie einen König empfangen. Ihre Kleider auf den Boden geworfen.  Ihm mit Palmenzweigen gewunken. „Halleluja!“ haben sie gerufen, „gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn!“

Sicher haben diese gottesfürchtigen Griechen von den Wundern von Jesu gehört. Von seinen Heilungen. Vielleicht auch von seinen klaren Predigten. Jetzt wollten sie ihn nicht mehr nur „vom Hören-Sagen kennen“. Jetzt wollten sie ihn selbst sehen und hören, erleben. Sie haben großen Respekt vor Jesus. Sie müssen einiges gehört haben,  was ein sehr  hohes Bild von Jesus bei ihnen erzeugt hat.  Sie wagen es nicht, selbst direkt zu Jesus zu gehen. Das wäre ihnen irgendwie zu heiß, zu heilig oder zu persönlich.

Sie tasten zuerst einmal das Umfeld ab. Sie gehen zu einem seiner Jünger. Zu Philippus. „Wir wollen Jesus sehen!“ sagen sie ihm. „Kannst du da was machen?  Wie siehst du ihn? Erzähl mal von ihm. Wir kennen ihn nur vom Hörensagen. Jetzt wollen wir uns selbst ein Bild machen.“

Philippus winkt sie nicht einfach durch. Er berät sich mit Andreas, einem anderen Jünger. Zu zweit gehen sie zu Jesus und geben ihm die Bitte dieser heidnischen Pilger weiter. Immerhin: Diese Männer waren keine Juden! Vielleicht waren die Jünger sich auch noch nicht sicher:   Ist Jesus auch der Retter, der Heiland  der Heiden? Oder ist er nur der Messias der Juden?

Jesus war auf dem  Höhepunkt seiner Popularität  angelangt. Das Volk hat ihm zugejubelt. Das Volk hat ihn für ihren von Gott gesandten Retter gehalten. Und jetzt kommen auch noch Heiden dazu, Nichtjuden, die ihn kennenlernen wollen. – Jesus nutzt die Stunde, um etwas von Gottes Herrlichkeit zu sagen.

Jesus sagt etwas über sich und er sagt etwas zu seinen Jüngern, über die, die zu ihm gehören wollen. Beides sollen die Juden und die Nichtjuden hören. Was er über sich sagt und was er über sie sagt, wenn sie zu ihm gehören wollen: 23 Die Stunde ist gekommen! Jetzt wird die Herrlichkeit des Menschensohns sichtbar werden. 24 Amen, ich versichere euch: Das Weizenkorn muss in die Erde fallen und sterben, sonst bleibt es allein. Aber wenn es stirbt, bringt es viel Frucht.

Jesus fängt an, von seinem Leiden zu sprechen. Er fängt an, seine Jünger auf seinen Tod am Kreuz  vorzubereiten. Gerade jetzt, wo menschlich gesehen alles rund  läuft, da spricht er vom Sterben. Die Stunde ist gekommen,  die Zeit hat angefangen,  in der seine Herrlichkeit sichtbar werden wird. Eine komische Herrlichkeit. Die Herrlichkeit eines Königs z.B. sieht du, wenn er auf dem Thron sitzt,  mit Krone,  Zepter,  im Purpurmantel,  tausend Bedienstete um ihn herum, alle fallen vor ihm auf die Knie: Dann sieht du seine Herrlichkeit.

Jesus sagt, dass jetzt seine Herrlichkeit sichtbar wird. Alle Macht und Kraft und Weisheit, die er hat, wird man sehen. Worin wird man sie erkennen? Indem er sich hingibt. Der Herr gibt sich selbst, seine Hände, in die Hände von Menschen. Darin wird Jesus seine Herrlichkeit zeigen, dass er allen Prunk, alle Macht, allen Glanz loslassen wird. Er wird aufgebrochen wie ein Boden. Er wird ausgesät wie ein Saatkorn. Er wird sterben, um viel Frucht zu bringen. Seine Herrlichkeit zeigt sich darin, wie weit er nach unten gehen kann. Wie viel er loslassen kann. Das ist herrlich. Das strahlt.

Von Julius Caesar heißt es: Er kam, sah und siegte. Jesus kam und sah und starb. So siegte Jesus. Es ist die Liebe, die bei Gott alles auf den Kopf stellt. Am Kreuz wird Jesus erhöht schreibt Johannes in seinem Evangelium (Joh 3,14f). Das  ist seine Herrlichkeit, dass er am Kreuz die ganze Welt umarmt.  Und sein Tod bringt große Frucht. Überall auf der Welt bekommen Menschen bis heute neues Leben, weil er sein Leben gegeben hat.

Schon bei Jesaja können wir davon lesen. Viele Jahrhunderte vorher schreibt der Prophet: „Meinem Beauftragten wird es gelingen. (…) Viele haben sich entsetzt von ihm abgewandt. (…) Doch jetzt werden viele Völker über ihn staunen. (…) Wer hätte es gedacht, dass die Macht Gottes sich auf solche Weise offenbaren würde? (…) Weil er sein Leben als Opfer für die vielen dahingab, wird er wieder leben und er wird viele Nachkommen haben.“  (Jes 52,13-14; 53, 10)

Jesaja sieht einen Knecht Gottes kommen, der Gottes Macht darin zeigt, dass er leidet für die vielen. Und er wird viele Nachkommen haben wird. – Jesus spricht von sich selbst und er spricht von seinen Nachkommen. Er spricht von uns! Von denen, die ihm nachfolgen.

Zu Jesu Tod am Kreuz für uns können und brauchen wir nichts hinzutun. Er stirbt stellvertretend für uns. Wer an ihn glaubt, wer Jesus vertraut, sie oder er ist gerettet. Sie oder er braucht nur noch sagen „Ich will!“  Zu unserer Rettung können und brauchen wir nichts hinzu tun. Nun aber,  als Gerettete,  sollen wir Jesus folgen in seinem Weg nach unten. Jetzt sollen wir unser Leben in den Tod geben. Jetzt sollen wir alles loslassen um der Liebe willen. Die Taufe ist das Bild dafür. In der Taufe geben wir unser Leben in den Tod,  hat Paulus geschrieben,  um das neue Leben geschenkt zu bekommen (Römer 6). Jetzt sind wir so frei und froh, so beschenkt, dass wir arm und klein und unten sein können.

„Wer sein Leben liebt, der gibt es Jesus!“ habe ich die Predigt überschrieben. Wer sein Leben festhält, der wird es verlieren, sagt Jesus. „Darum lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir!“ schreibt Paulus den Galatern voller Freude! (Gal 2,20)  Das ist nichts Trauriges. Das ist etwas Fröhliches, Befreites. Da ruft Paulus Halleluja: Der König ist bei ihm eingezogen. „Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir!“

Die griechischen Pilger, die Nichtjuden, sie wollen Jesus kennenlernen. Hier hören sie seine Antwort: Man kann nicht ein bisschen zu Jesus gehören. Man kann ihn nicht gut finden, ohne ein Teil von ihm zu werden. Niemand wird Jesus kennenlernen, der ihm nur  ab und zu seine Aufmerksamkeit schenkt. Wer Jesus nur zu einer Angelegenheit neben anderen in seinem Leben macht, der wird den Segen nicht erleben, den er uns schenken will. Es gibt keinen billigen Weg, Jesus nachzufolgen.

Die Nachfolgeworte von Jesus sind so radikal, dass ich mich kaum traue, sie weiterzugeben oder auf uns heute zu beziehen. Bitte hört hin und prüft es, ob es wirklich der Herr ist, der so spricht, der Herr, an den ihr glaubt. Was Jesus denen sagt, die zu ihm gehören wollen, hinterfragt unser Leben radikal. „Niemand kann zwei Herren dienen,“ sagt Jesus. „Wer das versucht, wird nur einem treu dienen und den anderen betrügen.“ (Luk 16,13) „Geht durch die enge Tür in das Himmelreich“ sagt Jesus, „denn die Tür ist weit  und der Weg ist breit, der ins Verderben führt.“  (Matth. 7,14)

Wir sind in der Passionszeit. In diesen Wochen sehen wir auf den Leidensweg Jesu. Auf seine Leidensstationen. Auf das Kreuz. Aber wenn wir an ihn glauben, dann sagen wir nicht nur „Das hat er für mich getan“, sondern „Ich gehe mit.“ Der Weg, den Jesus gegangen ist, soll auch der Weg seiner Jünger sein. Beides sagt er Philippus, Andreas und den Nichtjuden, die ihn kennenlernen wollen. Ich muss sterben, um viel Frucht zu bringen. Ihr müsst euer altes Leben sterben, wenn ihr das Leben erhalten wollt.

„Der Jünger steht nicht über seinem Meister!“ hast Jesus gesagt. „Der Knecht steht nicht über seinem Herrn!“ (Matth. 10,24) Henri Nouwen, ein geistlicher Schriftsteller, den ich gerade sehr gerne lese, Henri Nouwen definiert einen Jünger von Jesus so: „Ein Jünger ist ein Mensch, der Jesus auf dem Weg nach unten folgt und auf diese Weise neues Leben findet!“

Tief in uns drin ahnen wir es glaube ich alle: Das größte Leben, die Erfüllung, die tiefste Freude,  der Friede  liegt nicht darin,  viel zu haben, viel für mich zu haben. Die größte Freude ist es, mit Jesus verbunden zu sein. Mir von ihm dienen zu lassen und mit ihm zusammen anderen zu dienen. Der Weg mit Jesus nach unten, das ist nicht der Weg zur Hölle, das ist der Weg zum Himmel. Da finden wir Gott. Da sehen wir seine Herrlichkeit.

Jesus will uns das Leben nicht verderben. Aber er will uns die Augen öffnen über dieses Leben und das ewige Leben. Wir sollen nichts in diesem Leben mehr lieben als ihn. Wir sollen an nichts festhalten, was uns hindert auf dem Weg mit oder zu Jesus hin.

Nun seid ihr heute gekommen wie die Griechen, die Nichtjuden. Ihr wolltet Jesus sehen. Hättet ihr das gewusst, was Jesus euch zu sagen hat, wärt ihr dann vielleicht lieber zuhause geblieben? Aber es ist so: Jesus hat nicht gesagt: Ich werde für euch leiden und ihr könnt dann leben wie die Made im Speck. Er hat nicht gesagt: Ich trage das Kreuz und ihr könnt dann euer Leben lang Party machen. Jesus hat gesagt:  Komm und folge mir nach!

Das ist die Herausforderung für jeden Christen: In der Welt zu sein aber nicht von der Welt zu sein.(Joh 17,16) Ganz hier zu leben, aber die Wurzeln nicht mehr hier zu haben. Um unser Zuhause bei Gott zu wissen und hier nicht heimisch zu werden.

Ich schließe mit einer Geschichte aus dem Leben von Martin Luther: Eine alte Anekdote erzählt, der  Teufel  habe sich in Wittenberg vor dem Hause Martin Luthers aufgebaut  und drohend zum Fenster hinaufgesehen, aus dem Luther gerade herausgesehen hätte. „Wohnt der alte Luther hier?“ soll der Teufel gerufen haben. „Nein!“ soll Luther geantwortet haben. „Der ist schon lange tot. Hier wohnt Jesus Christus!“

Möge das auch unsere Antwort sei, wenn der Teufel mal an unserem Herzen, bei unserem Leben anklopft. Hier wohnt Jesus!

Amen.

 

Mit Gewinn habe ich gelesen eine Predigt von Gerhard Beck vom 22.3.2009 in Nürnberg, www.pedigtpreis.de.

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